Fremder
oder
einheimischer
Ursprung.
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musste; überdies lag ihm die Folgerung, welche wir
daraus ziehen, fern. Auch wir können bei den ältesten
Werken der griechischen Kunst eine gewisse Aehnlichkeit
mit den ägyptischen anerkennen, ohne die grossen Ver-
schiedenheiten zu übersehen und auf eine unmittelbare
Abstammung zu schliessen. Diese Aehnlichkeit der ältern
Werke wird gerade wegen der grossen Verschiedenheit
des spätem griechischen Styls und nur in Beziehung auf
diese von dem Griechen bemerkt; es ist nur eine relative
Aehnliehkeit. Die Erzählung endlich von der Arbeit des
Telekles und Theodorus, wenn sie überhaupt wahr ist,
beweist für die Einwirkung des Aegyptischen das Ge-
gentheil von dem, was man daraus folgert; hätten Viele
von den Aegyptern gelernt und nach ihnen sich gerichtet, so
würde die Sage jene Anekdote nicht aufbewahrt haben.
Wenn es daher auch wahr sein sollte, dass einzelne
Künstler in Aegypten gewesen, so dürfen wir doch den
Einfluss solcher Reisen auf die Kunst nicht höher an-
schlagen, wie den, welchen die griechische Weisheit aus
dem Aufenthalte Solons und anderer Forscher in dem-
selben Lande erhalten hat. Manches Materielle und
'I'cchnische mag von dort her nach Griechenland über-
gegangen sein , eine bedeutende Einwirkung auf das
Geistige ist aber nirgends zu spüren; vielmehr musste
grade durch die Berührung mit dem Fremden das grie-
ehische Gefühl seiner Eigenthümlichkeit sich mehr be-
wusst und in derselben bestärkt werden. Und in der
That finden wir auch, soweit wir die Spuren griechischer
Kunst verfolgen können, diese Eigenthümlichkeit so ent-
schieden vorwaltend und der ägyptischen so fremd, dass
wir den etwaigen Einfluss der letzten nur für einen unter
geordneten, für die Geschichte der geistigen Entwickelung
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