Dorismus.
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dem Eindringen des Fremden und dadurch dem Verfall
der Sitte und der Auflösung in egoistische Vereinzelung
mehrausgesetzt War. Der Gegensatz und die Wechsel-
wirkung dieser Stämme ist eine der glücklichen Eigen-
thümlichkeiten des-hellenischen Volkes, welche es vor
einer einseitigen Richtung behütete und eine umfassende
Bildung beförderte. Ohne den höhern sittlichen Ernst des
Dorismus würde die Empfänglichkeit des ionischen Stam-
mes nicht so gediegene Früchte getragen, ohne diesen
weichen Sinn jener der zartesten Blüthen entbehrt haben.
Der Geist der Dorier wirkte nun auf den ionischen
Stamm nicht bloss in den Landschaften, welche sie sich
wirklich unterwarfen , sondern mittelbar auch auf die
übrigen, indem der Kampf den Nationalgeist weckte und
der strenge Ernst der Gegner ein Vorbild Wahrhaft
griechischer Sitte wurde, das zum Wetteifer reizte. Eine
Folge dieses Einflusses war es, dass überall ein republi-
kanisches Streben sich regte, und an die Stelle der per-
sönlichen Herrschaft der Fürsten und Mächtigen freie
Volksverfassungeil eintraten. Die Ausbildung der festen,
geregelten Sitte , die Achtung männlicher Kraft , die
Wichtigkeit, welche den gymnastischen Uebuugeil bei-
gelegt wurde, die Verbindung des gesammten I-Iellas zu
den grossen Kampfspielen Waren weitere Ergebnisse
dieser neuen Anregung. Manche Nachtheile waren aber
auch mit der gewaltsamen Revolution , welche diese
grosse Veränderung herbeiführte; verbunden, und nicht
bloss vorübergehende. Eine gewisse Härte trat zunächst
an die Stelle der milden, menschlichen Gesinnung der
homerischen Griechen, und als diese wieder nachliess,
als das ionische Element sich wieder geltend machte,
waren wenigstens einige Züge der frühem patriarchali-