Volltext: Geschichte der bildenden Künste bei den Alten: Griechen und Römer (Bd. 2 = [1], Bd. 2)

1.50 
Griechische 
Kunst. 
von denen man sie doch herleitete, angehörte. Ein geist- 
reicher Schriftsteller hat es neuerlich auf das Eindring- 
lichste erwiesen, dass sie nicht bloss die Farbe, wie wir 
gesehen haben, benutzten, sondern auch in Gewandung, 
Haltung und Stellung, in der Anforderung an einseitige, 
günstige Beleuchtung und in manchen andern Beziehungen 
dem malerischen Princip Eingang gaben, ja, dass 
sogar jene Ruhe und Leidenschaftlosigkeit, die man ge- 
wöhnlich als bezeichnende Eigenschaft der griechischen 
Plastik heraushebt, nicht allzu wörtlich und strenge ver- 
standen werden darf  In Wahrheit können wir viel- 
mehr die Regel der griechischen Sculptur dahin aus- 
sprechen, dass sie kein Mittel verschmähete , welches 
Empfindungen und Gedanken, wie sie dem Geiste ihres 
Volkes zusagten, hervorrufen konnte, und dass nur das- 
jenige vermieden wurde, Was entweder den Empfindungen 
eine materielle Breite gegeben, oder die Selbstthätigkeit 
des Beschauers gelähmt haben würde. 
Jene einseitige Theorie der Sculptur ist als solche 
richtig; sie hebt wirklich heraus, was diese Kunst von 
andern unterscheidet, ihr inneres Gesetz ausmacht, imd 
die Gränzen ihrer Wirksamkeit bedingt; sie zieht nur 
diese Gränzen zu enge. Jede der einzelnen Künste ist 
durch den Stoff, in welchem sie arbeitet, bedingt und 
verfehlt ihre Aufgabe, wenn sie dies nicht fühlt und 
Dinge ansprechen will, welche diesem Gebiete fremd 
sind. Allein sie darf und muss bis an das Aeusserste 
dieser Gränzen vorschreiten und sie dadurch bezeichnen, 
dass sie, nicht völlig ausführend wohl aber andeutend, 
in das Gebiet anderer benachbarter Künste übergreift. 
Grade darin äussert sich die höhere, geistige Freiheit 
4') Feuerbach, 
der 
vaticanische Apoll.
	        
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