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Griechische
Kunst.
von denen man sie doch herleitete, angehörte. Ein geist-
reicher Schriftsteller hat es neuerlich auf das Eindring-
lichste erwiesen, dass sie nicht bloss die Farbe, wie wir
gesehen haben, benutzten, sondern auch in Gewandung,
Haltung und Stellung, in der Anforderung an einseitige,
günstige Beleuchtung und in manchen andern Beziehungen
dem malerischen Princip Eingang gaben, ja, dass
sogar jene Ruhe und Leidenschaftlosigkeit, die man ge-
wöhnlich als bezeichnende Eigenschaft der griechischen
Plastik heraushebt, nicht allzu wörtlich und strenge ver-
standen werden darf In Wahrheit können wir viel-
mehr die Regel der griechischen Sculptur dahin aus-
sprechen, dass sie kein Mittel verschmähete , welches
Empfindungen und Gedanken, wie sie dem Geiste ihres
Volkes zusagten, hervorrufen konnte, und dass nur das-
jenige vermieden wurde, Was entweder den Empfindungen
eine materielle Breite gegeben, oder die Selbstthätigkeit
des Beschauers gelähmt haben würde.
Jene einseitige Theorie der Sculptur ist als solche
richtig; sie hebt wirklich heraus, was diese Kunst von
andern unterscheidet, ihr inneres Gesetz ausmacht, imd
die Gränzen ihrer Wirksamkeit bedingt; sie zieht nur
diese Gränzen zu enge. Jede der einzelnen Künste ist
durch den Stoff, in welchem sie arbeitet, bedingt und
verfehlt ihre Aufgabe, wenn sie dies nicht fühlt und
Dinge ansprechen will, welche diesem Gebiete fremd
sind. Allein sie darf und muss bis an das Aeusserste
dieser Gränzen vorschreiten und sie dadurch bezeichnen,
dass sie, nicht völlig ausführend wohl aber andeutend,
in das Gebiet anderer benachbarter Künste übergreift.
Grade darin äussert sich die höhere, geistige Freiheit
4') Feuerbach,
der
vaticanische Apoll.