Polychromie
der
Statueh.
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Künstler gelegen habe oder nur der Phantasie oder dem
Witze der Betrachtenden zuzurechnen ist. Wenn Wir
aber auch jene Erzählungen als unbedingte Wahrheit
annehmen, so sehen wir doch immer, dass es bei allen
diesen Färbungen der antiken Plastik nicht auf eine Wirk-
liche Nachahmung der Natur, auf eine Wiederholung der
Farben des Gegenstandes ankam, sondern nur darauf,
durch andeutende Mittel die Unterschiede der Natur für
die Phantasie {zu vergegenwärtigen und das Gefühl auf
eine entsprechende Weise anzuregen.
Dies Verfahren ist in mehr als einer Beziehung sehr
lehrreich und wichtig , und wir können den künstlerischen
Sinn der Griechen auch hier nur bewundern. Wollte man
den natürlichen Gegenstand in seiner ganzen Form und
Farbe Wiederholen, so würde dies kein Wahrhaft leben-
diges Kunstwerk, sondern vielmehr den beta-übten Anblick
der erstarrten und erstorbenen Natur geben. Wenn da-
gegen der Gegenstand durch ein wahrhaft künstlerisches
Verfahren in einer neuen Gestalt, aber so reprodueirt
ist, dass diese alle seine Verhältnisse in ihrer geistigen
Beziehung andeutet, die Vorstellung desselben und die
von ihr ausgehenden Gefühle in dem Besehauer hervor-
ruft, dann ist der Gegenstand Wieder belebt und zwar
in ein höheres, geistigeres Leben zurückgerufenii). Ein
Missverstand ist es, wenn man das Leben in der kör-
perliehen Erscheinung des Kunstwerkes zu erschöpfen
4') Auch die chryselephantiiren Statuen aus der Zeit des höch-
sten Styls sprechen eher gegen als für eine weitgehende Nachahmung
der natürlichen Farbe an Statuen. Denn es zeigt sich darin das
Gefühl, dass die Farhenwirkung der Natur durch andere, rein künst-
lerische Mittel ersetzt werden miisse. Höchstens kann man es als
eine Milderung des ältern polychrolnischen Princips betrachten, welche
dann aber auch nothwendig den Uebergang zu einer noch reineren
Beseitigung der Farbe bilden musste.
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