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Griechische
Kunst.
Wusste man längst aus alten Schriftstellern, dass noch
spät farbig bemalte Bildsäulen von Holz in manchen
Tempeln verehrt wurden, auch hatte man an einzelnen
auf uns gekommenen alterthümliehen Statuen Farben-
spuren bemerkt, man erklärte sich dies aber als die Ge-
wohnheit einer frühen barbarischen Zeit, die aus religiö-
ser Rücksicht in einzelnen Fällen beibehalten sei. Auf'-
fallend war es später, als man bei der Aufdeckung des
verschütteten Pompeji Säulen und Mauern durchweg mit
bunten Farben bemalt fand, indessen konnte man dies
aus dem falschen Geschmack einer italienischen Provin?
zialstadt herleiten. An Bildsäulen endlich aus der römi-
schen Kaiserzeit nahm man nicht selten wahr, dass die
Haare oder das Gewand von farbigem , während das
Gesicht von weissem Marmor war, was man jedoch mit
Recht als einen Beweis des Kunstverfalls betrachtete.
Eine andere Deutung schienen aber diese Thatsachen
erhalten zu müssen, als man in neuerer Zeit mit den
WVerken der Blüthezeit griechischer Kunst, namentlich
mit den attischen Monumenten, bekannt wurde, und auch
an diesen manche Ueberreste farbigen Auftrags wahr-
nalnn. "Es schien erlaubt zu vermuthen, dass, wenn auch
nur geringe Farbenspuren sich erhalten hätten, sehr viel
mehr vorhanden gewesen und nur durch den Einfluss der
Witterung in einer so langen Reihe von Jahrhunderten
vertilgt sein müsse; einige der Entdecker glaubten sich
daher berechtigt, eine durchgängige Bemalung sowohl
der Gebäude als der Statuen annehmen zu müssen. Ein
Umstand, welcher die ganze bisherige Ansicht von den
Schönheitsbegrilfen der griechischen Kunst umgestossen
haben würde. Mit einem Enthusiasmus, welcher vielleicht
durch den Reiz des Widerspruches gegen die Einseitig-