Auffassung
der
Natur.
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Jener philosophische Gedanke des Aristoteles ging nieA
mals unbedingt in das griechische Volksleben über.
Die bildenden Künste sind beharrlieher als die Poesie;
sie nehmen weniger Theil an der philosophischen Erwei-
terung des Sinnes und vermögen nicht über den ursprüng-
lichen Standpunkt ihresVolkes, auf welchem ihre For-
men entstanden sind , hinauszugehen. Jene plastische
Beschränkung behielt daher bei ihnen ihre volle Wirk-
samkeit.
Ich glaube, dass ich hiernach nicht weiter auf die
Frage zu antworten brauche, Weshalb bei den Griechen
die" Malerei der Plastik untergeordnet blieb und weshalb
diese Kunst die eigenthümlichexl Schönheiten ihres Styls
hier nicht entwickelte. War der plastische Styl nicht
bloss eine Aeusserung des Kunstsixines, sondern ein Ab-
bild der innerlichstenkEmpfindung, einer innern Form,
welche das ganze Denken und Leben des griechischen
Volkes beherrschte, so musste sich auch die Malerei ihm
anschliessen. Kein Grieche konnte darauf kommen oder
es durchführen, sie freier und selbstständiger zu behan-
deln. Hätte er es gethan, so würde sein Werk unver-
ständlich und disharmenisch neben den übrigen Aeussee
rungen des Volkslebens gestanden haben. Dieselbe Kraft
und Richtung der Phantasie, welche dem Auge des
Griechen überall menschliche Gestalten verzauberte ,
gr. Blumenlese Buch 8. Nr. 38, 39). Ebenso ist die Beschreibung
des Frühlings in dem Romane des Longus (aus dem vierten Jahr-
hundert unserer Zeitrechnung) schon ziemlich modern. Aelian (var.
hist. III. 1.) lcilet die Beschreibung des Thals Tempe damit ein,
dass er sagt, die Natur sei ehrgeizig lgewesen, alle ihre Schönheit
zum Schmucke dieses lieblichen Ortes zu verwenden. Indessen er-
wähnt er doch in der ausführlichen Beschreibung nicht der Formen
des Gebirges; die Schönheit des Erdkörpers war den Griechen auch
in dieser letzten Zeit verschlossen.