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Griechische
Malerei.
hingiebt, wird es nothweildig von dem Erfassen der Na-
tur im Ganzen abgezogen und die Empfindung der N atur-
einheit kann nicht in voller Stärke entstehen. In dieser
Beziehung hat das Naturgefühl der Hebräer einen Vorzug;
wir können es ein höheres nennen. Die Phantasie
schwang sich gleichsam zum Throne Jehoveüs auf und
überblickte von dieser Höhe die ganze Weite der Schöp-
fung. Der Grieche dagegen lebte mitten auf der Erde ,
verbrüderte sich mit ihren Geschöpfen, und konnte in
dieser allzugrossen Nähe das Ganze x1icht überblicken.
Für die bildende Kunst war jener erhabene Schwung
der Phantasie bei den Juden ein Hinderniss; der Grieche
erhielt durch seine Art der Naturauffassung die hohe
Befähigung für dieselbe, aber nur im plastischen Sinne,
nur für das Einzelne.
Bei Homer, wo die griechische Naturansicht sich
mitaller Frische und Urlbefangenheit ausspricht, können
wir ihre Consequenzen vollständig übersehen. Mit kind-
licher Liebesfähigkeit tritt der Dichter den Geschöpfen
der Natur entgegen; mit kindlicher Neugierde beobachtet
er ihre feinsten Regungen, das Leben der Thiere und
Pflanzen, die Bewegung des Himmels. Aber er sieht
nur das Einzelne, die einzelne Gestalt, den flüchtigen
Moment. Bei solchem Einzelnen verweilt er, dies malt
er mit Ruhe aus und geht dann Wieder zum Faden seiner
Geschichte, zum Menschlichen, über. Jene eine Natur-
erscheinung erweckt in ihm nicht den Trieb, ein Bild des
Ganzen zu erlangen. Das Einzelne in der Natur hat aber
nur dann Werth , wenn es als eine Aeusserung des
grossen Lebens der Schöpfung aufgefasst wird oder wenn
die Phantasie in ihm Aehnlichkeit mit dem Geistigen
entdeckt und ihm ein geistiges Leben verleiht. Daher