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Griechische Plastik.
änderlichen Darstellung zu scharf sein würde, theils aber
weil die gleiehmässige Wiederholung der durch gewalt-
same Bewegungen entstehenden Linien die architektoni-
sche Einheit der Fläehe allzusehr verletzen würde.
Aus diesen Eigenschaften des Reliefstyls erklärt
es sich, weshalb er den Griechen besonders zusagen
musste. Schon in ihrer Auffassung der Gestalt ist das
Vorsehreitende, zur That Gerichtete besonders begünstigt,
während ihre sittliche Ansicht wiederum die Mässigung
und Haltung herbeiführte, welche Hartes und Gewaltsa-
mes verhütet. Die Verbindung der Kraft und der Milde,
welche die Griechen in allen Beziehungen auszeichnet,
eignete sich vorzugsweise für diese Gattung, und ihre
Reliefs sind daher im Ruhigen, Würdigen, Zierlichen und
Kräftigen wahrhaft unübertroffene Muster. Je mehr der
Geist von dieser griechischen Reinheit und Ruhe sich
entfernt, je mehr er diese Mitte der Dinge, die schöne
Aeusserlichkeit der gesitteten That, verlässt, und sich
in innerliches Sinnen und in gewaltsame Ausbrüche ver-
liert, desto weniger wird ihm diese Gattung zugänglich
sein. Die Hoheit griechischer Statuen mag einer beson-
dern Begabung des Genius zugeschrieben werden; die
Reinheit und Anmuth des Reliefs hängt unmittelbar von
der allgemeinen sittlichen Stimmung ab.
Mit dem Reliefstyl lassen sich Hintergründe in unserm
Sinne des Wortes nicht verbinden; die freie Natur und
die Pflanzenwelt haben zu wenig feste Formen und Um-
risse, um in die Plastik überzugehen, und ihrem Style
ist sogar bei menschlichen Gestalten die Andeutung des
entferntern Standpunktes durch perspectivische Verklei-
nerung nicht angemessen. Auch dies ist eine Darstellung
des Scheines, die mit der körperlichen Wirklichkeit des