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Griechische
Plastik.
und gesunde Männer pflegten auch häuiig ohne Unter-
kleid im blassen Mantel auszugehen, wodurch denn die
Form des Körpers sich in diesem noch deutlicher ausprägte.
Alle diese Vortheile wusste nun die griechische Kunst
aufs Beste zu benutzen. Zu allen Zeiten ist die Ge-
schmacksriehtung, welche in der Gestaltung der nationel"
len Tracht angedeutet. ist, in der künstlerischen Behand-
lung der Gewänder noch deutlicher ausgesprochen. In
der modernen, christlichen Kunst steigerte sich der mae
terielle Luxus der Stoffe und die Abenteuerliehkeit des
Schnitts noch mehr, als es in der Mode des Tages
geschah, das Interesse warf sich mehr auf naturgetreue
Darstellung der todten Stoffe, als auf die lebendige Gee
stalt, die Kleidung entstellte durch ihre schweren Falten
den Körper, und gab den Anblick einer verwirrten Masse.
Ganz das Gegentheil bemerken wir, wenn wir auf die
ägyptische Kunst zurückblicken , wo das Gewand am
Körper, den es bedeckt, fast gar nicht zu sehen, sondern
nur an den Rändern angedeutet ist. Die Griechen trafen
hier wieder die rechte Mitte und ihre Behandlung der
Gewänder zeigt die Feinheit ihres Formsimies Vielleicht
noch entschiedener und charakteristischer, als selbst die,
mehr mit moralischen und poetischen Motiven zusammen-
hängende Auffassung der Schönheit des natürlichen Lei-
bes; Der Grundsatz , das weniger Wesentliche dem
Hauptsächlichen unterzuordnen, welchen sie bei der leben-
digen Natur beobachteten, leitete sie auch hier. Schon
im Leben mögen sie sich bemüht haben, die unregel-
mässige Häufung der Falten zu vermeiden, und einfachere
Massen hervorzubringen. Die blosse Schwere des wollnen
Stoffes genügte ihnen nicht, und es scheint, dass man
zuweilen kleine Gewichte in den Zipfeln des Mantels