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Griechische
Plastik.
eine Tracht, welche dieses gestattet und begünstigt, die
vortheilhaftere und schöncreÄ Bei einem verständigen,
kalten Volke, wo alles Einzelne ohne weiteres der Regel
unterworfen ist, wird auch die Kleidung einfach und
strenge, plump oder dürftig sein, und dem besondern
Geschmack und Geschick der Individuen wenig Spielraum
gestatten; bei Völkern dagegen, WO Phantasie und ge-
müthliche Freiheit vorherrschen, ist sie zusammengesetzt,
bunt und wechselnd. Wo der Sinn für das Naturgemässe
und Plastische überwiegt, wird sie die Körperformen
wenig verhüllen , in einem künstlichem Zustande dagegen
verbirgt und entstellt sie dieselben durch zufälligen und
bizarren Schnitt der Gewänder, und gewährt allenfalls
nur bei dem Verwalten einer malerischen Richtung durch
die schöne Farbe dem Auge einige Entschädigung. Auch
die Wahl des Stoffes ist denn hiebei von Einfluss, je
nachdem er sich dem Körper anfügt oder nicht, und
entweder anspruchslos und einfach ist, oder durch Zu-
sammensetzung und künstliche Wahl ein grobes Interesse
an der todten Natur in ihren mannigfaltigen Erzeugnissen
begünstigt. Bei den Griechen War nun die Tracht in
jeder Rücksicht der Kunst und zwar der plastischen
Kunst höchst vortheilhaft. In früherer Zeit hatte sie sich
zwar, wie wir aus den Nachrichten der Geschichtschrei-
ber und aus gewissen Bildwerken erfahren , mehr der
asiatischen genähert , indem sie aus langen , buntge-
schmückten leinenen Gewändern bestand. Je mehr sich
aber der Kunstsinn entwickelte, desto einfacher wurde
sie. In der Blüthezeit Griechenlands war zunächst das
Haupt gewöhnlich unbedeckt. Im Kriege nur brauchte
man den Helm, auf Reisen den Hut, übrigens aber blieb
die natürliche Form des Kopfes und des Haarwuchses