Körperbildung.
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Schönheitssinnes von dem der Griechen, dass wir die
hohe Stirn eher für eine Schönheit halten, sie unbedeckt
tragen, Während jene sie so Wenig liebten, dass die Frauen
sie sogar durch Binden zu bedecken und zu verkleinern
suchten. Winkelmann glaubt dies schon dadurch zu er-
klären, dass die hohe Stirn nur für das Alter geeignet
sei, die Götter aber in ewiger Jugend gedacht würden.
Allein gewiss nicht mit Recht; denn auch Jupiter, der,
wenn auch keinesweges im Greisenalter, doch in den
Zügen reiferer männlicher Jahre gedacht wurde , und
in welchem der Charakter des Vaters der Götter und
Menschen, die grosse, mehr geistige als körperliche
Macht (in der bildlichen Vorstellung Wenigstens) ent-
schieden vorherrscht, wird mit gleicher niedriger Stirn
dargestellt.
Um die Stirn herum ziehen sich die Haare in einem
ununterbrochenen Bogen ohne Spur der Ecken an den
Schläfen. Dies trägt dazu bei, die eiförmige Figur, W61-
che der Gesichtsbilduilg zum Grunde liegt, deutlich zu
machen. Die vordern Haare fallen mehr oder weniger
auf die Stirn herüber; die Art, wie dieses geschieht,
und überhaupt die Form des Haarwuchses zeigt die
höchste Kunst und Sorgfalt, indem ohne eine kleinlich
detaillirte Arbeit (in besserer Zeit namentlich ohne den
Gebrauch des Bohrers) und ohne Aufopferung des Vor-
theils grösserer Massen überall die Wirkung natürlicher
und die Charakteristik schärfer ist, als an den meisten
nlodernen Bildwerken. Die I-Iaartraeht ist fast für jeden
Gott eine eigenthümliche, und zwar in dem Grade, dass
man schon an ihr die Bedeutung der Köpfe erkennen
kann. Zeus wird bezeichnet durch seine vollen, ambro-
sischen Locken, von denen der Dichter singt , dass, wenn