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Griechische
Plastik.
Gestalten, wie das berühmte Gemälde des Apelles, auf
welchem WVahrheit und Täuschung, Dummheit, Argwohn,
Angeberei und Reue handelnd auftreten, kommen erst in
der spätem Zeit des Griechenthums vor.
Auf diese Weise erschien dem Griechen die äussere
und innere Welt nicht in ihrer Wahren Gestalt, sondern
zu mensehenähnliehen Wesen verkörpert. Zu der unbe-
gränzten Zahl solcher Gestalten kam aber auch noch die
thierisehe. Die Form und Bedeutung des thierisehen
Lebens in seinen höhern Erseheinungexi konnte einem
Volke nicht fremd bleiben, das selbst im Menschen die
höchsten geistigen Fähigkeiten in ungetrenntem Zusam-
menhange mit seiner physischen instinctartigen Natur
betrachtete. 'V0n einer Vergötterung der Thiere oder
von jener unklaren Symbolik der asiatischen Völker,
welche das Uebernatürliche durch das Unnatürliche dar-
zustellen meint, und den Charakter göttlicher Macht in
der widerliehen Verbindung thieriseher Glieder mit
menschlichen Körpern sucht, waren sie indessen Weit
entfernt. An den obern Göttern duldete der griechische
Sinn nichts Thierisches, aber bei den 'l'rabanten der
Götter, bei jenen Untergottheiten, in welchen sich das
Elementarische und Leblose der Natur darstellte, zeigte
sich die Spur eines alten Natureultus in einzelnen thieri-
sehen Gliedern. Auch hier aber haben die edlern Theile
des Körpers, die, welche für den Sitz dss Denkens und
Emplindens gelten, Kopf und Brust, stets völlig mensch-
liche Gestalt, nur an untergeordneten 'l'heilex1 macht sich
das 'l'hierisehe geltend, entweder dem Elemente, Welches
in diesen Wesen verkörpert gedacht wurde, oder einer
besondern , aber untergeordneten und dienenden Kraft
entsprechend. Elementarische Beziehung hat es, wenn