Griechische
Plastik.
Augenblicke wieder von einander ab. Ganz anders bei
den Griechen. Neben jenen obern Göttern, die, wenn
auch in jedem von ihnen gewisse moralische Begriffe
vorzugsweise angeschaut wurden, doch stets völlig indi-
vidualisirte, historische Figuren blieben, gab es noch an-
dere Gestalten, Welche eben keine andere Bedeutung
hatten, als gewisse Begriffe darzustellen, die Macht der
Tugenden oder Leidenschaften und Aehnliclies auszu-
drücken. Einige dieser Gestalten hatten durch alten Ge-
brauch eine festere Ausprägung erhalten, welche sie den
Göttern gleichsam ebenbürtig machte und durch die An-
gabe ihrer Erzeuger an den Cyclus derselben anreihete.
So namentlich die Schicksalsgötter, die Eris u. a. Andere
erscheinen in der Begleitung gewisser Götter, gleichsam
Eigenschaften oder WVirkungen derselben in gesonderter
Personilication, wie z. B. im Gefolge des Ares, Nike,
Polemos, Deimos und Phobos (Sieg, Krieg, Schrecken,
Furcht). Noch andere endlich sind mehr vereinzelter
Bedeutung und streifen noch näher an blosse Allegorien
im modernen Sinne des Wortes, wie etwa. wenn im Ge-
spräche des Paris mit der Helena die Peitho, die Ueber-
redungskraft, hinzutritt, um dem Verführer Beistand zu
leisten. Allein auch diese Gestalten waren für die Grie-
chen nicht reine Allegorien; sie sprechen die Unwirk-
lichkeit dieser Wesen nicht, wie die N euern, unumwunden
aus, sondern ihre dichtende Phantasie gestattet ihnen, sie
wie göttcrgleiclne Erscheinungen zu behandeln, ohne sich
dessen bewusst zu werden, dass sie nur Erzeugnisse"
menschlicher Vorstellungen seien. Je mehr nun im Fort-
gange der Bildung. des griechischen Volkes das Auge
für feinere moralische Züge empfänglich wurde, je freier
die Poesie. mit dem überlieferten, mythologischen Stoffe