Personificationen.
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dem sich nicht sagen lässt, 0b es jene irdische Hülle nur
wie die Seele den Körper bewohnte, oder völlig identisch
damit war. Wenn nun diese Lokalgeister sofort wieder
in völlig ausgebildeter menschlicher Gestalt gedacht wur-
den, so verband sich auf eine höchst eigenthümliche
VVeise die Veränderlichkeit einer poetisch täuschenden
mit der Stätigkeit der ruhig bildenden Phantasie. Jene
schnelle Vertauschung der todten Localität mit der Voiv
Stellung eines empfindenden Wesens erinnert, wenn auch
Wesentlich davon verschieden, an die phantastische Weise
der Hebräer, welche in demselben Augenblicke das Ding
als Sache und zugleich durch eine kühne Metapher als
fühlend behandeln. Die ruhig bildende Kraft dagegen
haben die Griechen mit den Aegyptern gemein. Aber
während bei den Hebräern die Flüchtigkeit ihrer Phan-
tasie die Ausbildung jeder festen Gestalt verhinderte,
und bei den Aegyptern das Bild sofort zum kalten, un-
veränderlichen Symbole erstarrte, besassen die Griechen
die wunderbare Wärme und Kraft, der leichten Vorstel-
lung den vollen Körper, der äussern Gestalt das flüchtige
Leben zu leihen. Dichter schufen plastische Gestalten,
die Bildner durften kühn das Höchste und Freieste an-
deuten, Weil die belebende Phantasie sinnvoller Beschauer
ihnen entgegenkam. Aus dieser eigenthüinlicheil Beweg-
lichkeit der griechischen Phantasie erklärt sich auch der
Gebrauch, welchen sie von allegorischen Gestalten
machen. Wenn bei uns N euern Dichter oder Maler irgend
deine physische oder moralische Eigenschaft personiliciren,
so sind und bleiben wir uns des Willkür-liehen und Vor-
übergehenden dieser Operation bewusst, die Gestalt und
ihre Bedeutung werden für unser Gefühl niemals ein fest-
verbundenes Ganze , sondern sie lösen sich in jedem