92
Griechische
Plastik.
sten Charaktere ihre Vorbilder und Schutzgottheiten lin-
den. Das eben ist das Schöne diesergriechischeil Göt-
terdichtuirg, dass die ganze menschliche Natur darin
"entwickelt ist, dass selbst die Seiten, die eine strengere
Ansicht nur als Schwächen tadelnd wahrnimmt, darin in
Formen und Verbindungen vorkommen, Welche ihre wirk-
same Bedeutung ins Licht setzen. Nur das völlig Ver-
neiuende, das Böse im eigentlichen Sinne des Wortes
blieb von dem heitern Olymp ausgeschlossen. 3')
In Verbindung mit diesem höchten Kreise der Götter
standen mannigfaltige Gruppen untergeordneter Gestalten.
Zunächst die I-Ieroen, in denen sich nur die göttlichen
Züge mit Weniger bedeutenden mischten, und die daher auch
weniger ausgeprägt und weniger ausgezeichnet von dem
Gewöhnlichen sind. Dann aber die uutern Götter und
die Trabanten der Olympier, Welche in einem nähern
Zusammenhange untereinander stehen, und einen zweiten,
jenem ersten untergeordneten und einigermassen entspre-
chenden, wenn auch nicht so abgeschlossenen Kreis bilden.
Die rege Phantasie des Griechen bevölkerte das ganze Ge-
biet der Schöpfung mit belebten Wesen, es gab für ihn
keine todte Natur, alles Dasein stellte sich ihm sofort unter
menschlicher Gestalt dar. Himmel und Meer, Fluss und
Hain, Quelle und Baum, Grosses und Kleines hatte oder
war eine Gottheit, eine Nymphe. Mit einer, für unsere
kältere Empfindung kaum begreif liehen Schnelligkeit ver-
wandelte sieh das, was so eben nur leidender Schauplatz
fremder Handlung War, in ein bewusstes Wesen, von
k) Ueber Manches in dem Vorstehenden Berührte llndet man
treifliclie, doch von andernl Standpllnkie ausgehende und daher in
manchen Beziehungen abweichende Beinerknnglen in W. v. l-lunzboldUs
Axifsatz-z Ueber die männliche und weibliche Form, in Schillers Huren
1795 und W. v. Il. gesammelte VVerke. Berlin 1811. T11. I. S. 215-261.