Die
Göttergestaltexa.
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nicht mehr, und beides, in der Gestalt des Bacchos ver-
bunden, wird ein göttliches Vorbild für die Poesie des
Genusses. Die müssig sinnende Weisheit oder der er-
linderisch arbeitsame Fleiss in männlicher Gestalt würde"
ein trockenes Bild bürgerlicher Ehrbarkeit geben. Die
Waidlust hat nicht den edeln Ernst des Krieges, ein
Gott der Jagd würde roh und _Wild erscheinen. Denken
wir uns aber die eine und die andere Eigenschaft an
einer jungfräulichen Gestalt, so entsteht ein neues, lebens-
volleres Gebilde von eigenthümlichem Reize. Und ebenso
wichtig ist eine solche Verbindung für den Charakter
einer stolzen Jungfräulichkeit, wie ihn Pallas und Artemis
tragen. Des Weibes Bestimmung ist Gattin und Mutter
zu sein; eine beharrlich abweisende Jungfräulichkeit
würde daher etwas seltsam Ilerbes und zwecklos Eiteles
haben Allein Verbunden mit jenen männlichen Eigen-
schaften erzeugten sich daraus die herrlichsten Gestalten,
in denen sich weibliche Reinheit mit heroischer Grösse
in solcher Verklärung paart, dass wir selbst in dem Ge-
biete der Weiblichkeit, wenn sie auch übrigens, wie
gesagt, bei den Griechen mehr zurücktritt, ihnen einen
eigenthümlichen Vorzug zugestehen müssen. Durch diese,
im Verhältniss zu der natürlichen Scheidung der Geschlech-
ter unnatürlichen oder übernatürlichen Wesen wird denn
der Kreis völlig in sich gerundet; es wird verhindert,
dass männliche und weibliche Charaktere in schroffen:
Gegensatze einander gegenüberstehen, und es zeigt sich
das Bild der gemeinsamen geistigen Natur des Menschen
deutlicher und unnlittelbarer. Ohne den Vorzug des
Naturgeinässen und Einfachen aufzugeben, gewinnen wir
Erscheinungen, in welchen die Freiheit über die "Natur-
bestimmun" triumnhirt, und in weichen die mannigfaltig-z