Die
Göttergestalten.
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niglhltige sittliche Anlage, es giebt Männer, in denen
gewisse mehr weibliche Charakterzüge vorkommen,
Frauen, die ein männliches Element, haben, und diese
feinen Bligenthümliehkeiten werden dann durch das Alter
näher modificirt. Ueberblieken wir von diesem Stand-
punkte aus das Pantheon der griechischen Göttergestal-
ten, so. zeigt sich, dass alle Altersstufen beider Geschlech-
ter, so weit sie noch einer höhern Schönheit fähig, (larin
repräsentirt werden, und auf jeder sich ein ihr entspre-
chender Charakterzug ausgebildet hat. Das höchste Vor-
bild reiter männlicher Würde ist Zeus, der Herrscher,
mit der Ruhe und Milde, welche Macht und VVeisheit
verleihen. Seine Brüder, die Herrscher der untern Rei-
che, schliessen sich an ihn an, und gleichen ihm daher in
ihrer Körperbildung, ohne seine Schönheit zu erreichen.
Asklepios und allenfalls Hephaestos bezeichnen eine
tiefere Stufe mehr sinnlich praktischer Wirksamkeit, ohne
doch den göttlichen Charakter der Zeusähnlichkeit ganz
verloren zu haben. Den Llebergang zu den jüngern Ge-
stalten macht Herakles , der kräftige Dulder mit dem
stierähnlichen Nacken, dem breiten V orhaupt, und harten,
durch Arbeit gestahlten Muskeln. Aehnlich aber Weniger
derb, mit dem Ausdrucke göttlicher Geburt ist der kampf-
lustige Ares. An ihn schliesst Hermes sich an, der
geflügelte Bote des Zeus, in leichter, jugendlicher Form.
In manchen Darstellungen nähert er sich schon dem
Apoll, in welchem das Edelste und Geistigste jugend-
lich männlicher Schönheit gedacht ist. Jugendlich ebenso,
aber nicht mit diesem kühnen, geistigen Fluge, sondern
ruhig, geniessend , mit einem leisen Zuge. von Sehn-
sucht, ins Weichliche oder ins Weibliche übergehend,
beschliesst Bacchos den Kreis männlicher Göttergestal-