Die Malerei. 73
Lichtes berührt daher, wie die musikalische, die Regign
des unbestimmtesten Gefühles in der Seele. Daher ist
in der Harmonie der Farben etwas der musikalischen
Harmonie Aehnliches, es ist die reichste, zarteste Seite,
die Gränze denbildenden Kunst. Allein die Farbe an
sich ist noch weichlicher und unbestimmter Wie der Ton,
ihr mangelt das Prinzip der Zahl, der Einheit, des Ab-
schliessens. Nur durch die Verbindung mit der Form
wird sie daher künstlerischer Behandlung fähig. Wir
erkennen hierin zwei Pole, zwischen denen sich die
Malerei bewegt; den der strengen, plastischen Form und
den der weichen, verschmelzenden Farben. Keinem von
beiden darf sie sich zu sehr näheren, und doch stehen
beide in einem geistigen Gegensatze, der es schwer
macht, sie zu vereinigen. Wir werden daher auch in
der Geschichte mehroder weniger und in verschiedenen
Durchdringungen, das abwechselnde Vorherrschen bald
des einen bald des andern Prinzips iindcn. Beide sind
Sich auch geistig entgegengesetzt, denn jenes führt in
Seiner Consequenz auf eine Annäherung an die plastische
Schönheit, an das Ideale, dieses zum Detail und zur
Kleinliehkeit des Wirklichen, zu einem M aterialislnus.
Wir erkennen hieran, wie die Malerei, auf dem B0-
den der bildenden Kunst, die Reihe beschliesst. Wenn
Sie in dem Gebrauche des, Reichthums vielfältiger Be-
ziehungen, der ihr vergönnt ist, so weit geht, dass sie
auch das Kleinliche, Spielende und Unwürdige der Natur
aufnimmt, ohne es durch künstlerische Kraft zu adeln,
dann sinkt sie in jene trübe BIischung der Elemente,
Welcher die Kunst entlloh, zurück; sie theilt das Ge-
schick des Wirklichen. Sie steht dadurch in einem
umgekehrten Verhältnisse zur Wirklichkeit wie die Bau-