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Einleitung.
und Art vollkommen darstellt, begründet auch die Schön-
heit des plastischen Werkes. Wendet man aber diese
Regel unbedingt auf die Malerei an, fordert man auch
hier die gleiche Schönheit der einzelnen Gestalt, so
wird die eigentliche Kraft der Malerei zerstört. Gelänge
es YVlfkliCll, die einzelne Gestalt so schön zu malen,
wie das Meisterstück der Sculptur, so würde es aus
dem Gesammtbilde sich ablösen, seine Einheit mit den
Umgebungen würde aufgehoben sein. Es ist aber auch
unmöglich, dass die Gestalt im Gemälde diese vollkom-
mene Schönheit habe; dazu gehört die volle Form und
der Mangel der Farbe. Denn die Farbe ist durch die
äussere Beleuchtung bedingt und giebt uns daher schon
den Eindruck der Abhängigkeit und einer relativen Un-
vollkommenheit; die Anwendung des sculptorischen
Schönheitsprinzips auf die Malerei erscheint daher als
Widerspruch gegen die Farbe, wie Herder sehr gut
sagt, als eine Lüge von Schönheiti). Im Gemälde muss
der Einzelne mehr Wahrheit als Schönheit haben; das
Charakteristische seines Wesens in der bestimmten Si-
tuation ist das Verdienst seiner Gestalt. Für die Scl1ön-
heit des Bildes ist er nur ein Theil, er muss in Form
und Farbe ihr entsprechend sein.
Die Harmonie der Formen in der Malerei, begründet
ihre Verwandtschaft mit der Architektur, von der schon
oben die Rede war. Die Harmonie der Farben dagegen,
Setzt sie in Beziehung zur Musik. Das Licht und die
Farbe bilden die unkörperliche dem Elemente der Zeit
verwandte Seite des Raumelementes. Auch hier das
Flüchtige, Einseitige, das Anwachsende und Abneh-
mende, die zarten Verhältnisse. Die Schönheit des
Herders
Wverke
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Littm-atur.