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Einleitung.
welcher dies geschieht, in allen diesen Dingen lernen
wir den Menschen besser kennen, als in seinem Körper
selbst; dies alles zusammen bildet in einem weiteren
Sinne den Körper seiner Seele.
Auch aus diesem Grunde ist es der Malerei natürlich,
dass sie den Menschen nicht allein, sondern mit seinen Um-
gebungen, dass sie also einen Ausschnitt der WVelt gebe.
Dies zeigt uns die Verschiedenheit beider von einer
andern Seite, als wir sie vorher betrachteten. Man hat
den Menschen den Mikrokosmos , die WVelt im Kleinen
genannt, weil sein ganzes Wesen in sich zusammen-
hängend und selbstständig auf so vielen Kräften, und auf
der verschiedensten, allerkünstlichsteil Uebereinstimmung
und Wechselwirkung beruhend ist. Auch deshalb, weil
sich in ihm die grosse Welt, der Makrokosmos, gleich-
sam abspiegelt, weil alle die Kräfte, welche hier im
weiten Raume vereinzelte, gröbere, materiellere WVirkun-
gen hervorbringen, sich in ihm zusammen linden, um das
feinste geistigsteErzeugniss der Natur hervorzubringen.
Jene kleine Welt ist der Gegenstand der Sculptur; die
Malerei fasst Wieder die Welt im Grossen auf, aber in
ihrem geistigen Sinne, also nicht bloss mit Beziehung
auf das materielle geistlose Leben der übrigen Natur,
sondern in Beziehung auf das geistige Leben der Schöp-
fung in ihrer Wechselwirkung mit dem Menschen. In
dieser dritten der bildenden Künste, kommen daher auch
andere Naturgesetze zur Sprache, als in den beiden an-
dern. Die Architektur construirte ihr Werk durch die
Gesetze der leblosen unorganischen, die Sculptur be-
schränkte sieh auf die Gesetze der belebten Natur, die
Malerei umfasst das Gesammtleben, also vereint, was
jene getrennt hatten.