Die Malerei. 67
kraft allein, sondern sie ist bedingt durch das äugsere
Licht und durch unzählige Reflexe der anderen Dinge.
Sie kann daher an dem völlig Isolirten nicht gedacht
werden, und die farbige Gestalt setzt vielmehr nothwen-
dig Umgebungen, einen Hintergrund voraus. Auch in
geistiger Beziehung sind in der Malerei die Gestalten
nicht so isolirt, wie in der Sculptur. Wir sahen vorher
dass diese die natürlichen Unterschiede der Menschen
nach Geschlecht und Alter in einem allgemeinen Sinne
aufs Tiefste ausprägt, aber in die noch feineren Schat-
tirungen der Seele Weniger eingeht. Die Malerei giebt
jene natürlichen Unterschiede nicht so kräftig, fasst aber
dafür das Seelenleben tiefer auf Dies Seelenleben nun,
obgleich es mehr aus dem Freien Willen hervorgeht,
steht doch in einer näheren Verbindung mit den äusseren
Umgebungen als jene natürliche Verschiedenheit. Diese
bildet sich vermöge eigener Kraft, ohne des Anreizes
äusserer Umstände zu bedürfen, oder von ihnen wesent-
lich geändert zu werden. Das eigenthümliche Seelenleben,
die Individualität im engeren Sinne, empfängt dagegen
vielfältig seine Farbe von den äusseren Umgebungen, von
den Menschen, mit denen wir in Berührung kommen,
Von G-lücksgütern, von Geschäften, endlich von Sitten
und Gewohnheiten der Zeit, des Ortes, der Familie, in
der wir uns bilden. Und eben so wie es von äusseren
Umgebungen ausgeht, prägt es sich auch wieder densel-
ben ein. Auf dem Gesichte lesen wir den Charakter des
Menschen, in seinem übrigen Körper ist Wenig Spur
(lavon; aber in seinen Umgebungen, in seiner Art sich
zukleiden, in der Einrichtung seines Zimmers, in den
Oertern, welche er aufsucht, in den Leuten, mit denen
er in Verhältnisse tritt, und besonders in der Art, mit
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