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Einleitung.
Bestimmung unterschieden. Der Körper des Greises und
des Jünglings, dessen der zu geistiger, und dessen der
zu körperlicher Arbeit geeignet ist, ferner der Körper
der Jungfrau und des mütterlichen Weibes unterscheiden
sich nicht Weniger aufs Bestimmteste. Diese und ähnliche
Gattungen stehen daher durch die Regel der Natur fest,
und auf der Trennung derselben beruht die Ordnung des
menschlichen Geschlechtes. Statt der einen bestimmten
Regel der Baukunst hat daher die Plastik für die Zweck-
mässigkeit und Schönheit der Gestalten nlannigfaltige,
nach den geistigen und physischen [Tnterschieden der
Menschen abweichende Rüeksichtexl.
Alle jene natürlichen Unterschiede gehören auch der
Seele des Menschen an und prägen sich in ihr aus. Aber
freilich, sie ist nicht nothwendig daran gebunden, und
die Gränzen der Gattung werden durch die Freiheit des
Menschen oft überschritten. Der Jüngling erwirbt sich
in geistiger Anstrengung die Weisheit, Erfahrung und
Milde des Greises; das Weib eignet sich manches von
männlicher Kraft und Selbstständigkeit an. Es ist daher
klar, dass, wo dies seelenhafte XVesen des Menschen
vorherrscht, die natürlichen Unterschiede von geringerer
Bedeutung sind. Es ist aber eben so klar, dass diese
Erhebung des Einzelnen über die Ordnung der Natur
sich weniger im ganzen Körper als im vorübergehen-
den Ausdrucke des Gesichtes zeigen kann. Sie wird,
wenn die ganze Gestalt erscheint, stets dem Gesichte
eine stärkere Bedeutung geben, als dem übrigen Körper,
und daher die Harmonie beider stören. Für die Sculptur
ist sie deshalb nachtheilig, und diese ist vielmehr an
die Ordnung der Natur gebunden. Der Geist, welcher in
ihr lebt, ist daher der Geist einer festen Ordnung. einer