52
Einleitung.
Das Wahre, was dieser Annahme zum Grunde liegt,
ist. die hohe Bedeutung der mathematischen Formen in
der Architektur. Nicht, dass in ihnen schon die Schön-
heit bestände, vielmehr liegt sie noch in etwas ganz
anderm, aber sie sind eine notlwvendige Bedingung, eine
Grundlage derselben. Sie sind die Gesetze, nach welchen
die Ordnung in dem Reiche der unorganischen Natur
hergestellt wird, Gesetze, welche in der Wirklichkeit
nicht. frei zur Entwickelung kommen, sondern von dem
organischen Leben bedeckt werden. Sie bilden daher
das Maass, die ordnende Vorbereitung, auf welche erst
die Schönheit folgen kann.
Eine zweite Annahme über das VVesen der Archi-
tektur, welche Weiter, besonders auch unter den Archi-
tekten verbreitet ist, ist die, dass die Schönheit des
Bauwerkes in der Zweckmässigkeit der einzelnen
Theile bestehe. Wie das ganze Gebäude zu einem ge-
wissen Zwecke errichtet werde, z. B. als Wohnhaus,
als Tempel, so müsse auch jedes Glied seinen bestimm-
ten Zweck erfüllen, und dies in seinem Aeussern aus-
sprechen, also die Säule das Gebälk tragen, das Gebälk
die Säulen verbinden und das Dach tragen u. s. f. Diese
Wohlordnung "des Ganzen, dass keinffheil überflüssig,
keillirlf _0_hne deutlicheStütze und Zusammenhang mit den
übrigen sei, mache die Schönheit des Ganzen aus. Alle
Verzierungen seien hiernach nur so weit zu rechtferti-
gen, als sie Nutzen gewähren, oder doch denselben an-
deuten ; Fensterbedachungeil also, müssten so eingerichtet
sein, dass sie das Hineinströmen des Regens verhinder-
ten, die Glieder des Gebälkesl und Gesimses so, (lass
sie eine Erleichterung der tragenden Masse oder eine
Sicherung gegen den Ablauf des Wassers vom Duelle