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Einleitung.
berechnet, nur die niedrigsten Thiergattungen sind, wie
die Krystalle, von einfacher geometrischer Konstruktion.
In der höhern Natur ist überall das Skelet des Gesetzes
von freiem Leben überdeckt. Hier ist es daher sehr
viel leichter, dass der Künstler sich jedesmal an die Na-
tur anschliesse und sie nachahme, so Weit er sie brauchen
kann, als dass er auf die Gesetze und Regeln des Kör-
perbaues zurückgehe. Dies um so mehr als der Geist
dieser Künste ein mehr individueller ist, und daher durch
ein Verfahren nach allgemeinen Regeln leiden würde.
Dessen ungeachtet sind aber ihrer geistigen Aufgabe nach
diese Künste ebensowenig nachahmend wie die Baukunst
und die Musik. Sie gestalten sichebenso wie diese nach
eigenen in der Wirklichkeit nicht geltenden Regeln und
sie sondern, jede nach ihrem Gesetze, aus der Fülle der
Wirklichkeit manches aus, was der Nachahmung zu-
gänglich wäre. Der Unterschied hat daher mehr eine
praktische Bedeutung für die Ausführung als eine theo-
retische für das Wesen dieser verschiedenen Künste.
Weil man aber dies nicht einsah, und nach einem
besondern Prinzip für die Architektur suchte, das eben
so handgreiflich sein sollte, wie das der Nachahmung,
kam man auf Wunderliche Behauptungen, denen freilich
wie immer eine Wahrheit, aber eine über-schätzte und
aus ihrer Stelle gerückte, zum Grunde lag.
Eine dieser Behauptungen ist, dass die Architektur
symbolisch sei, in dem Sinne, dass diese Verhältnisse,
die wir vor" uns sehen, auf tiefe Lehren von den höch-
sten Dingen hindeuteten, und dass sie, theils unwillkürlich,
theils" riaelrüBei-lieFei-ten Geheimlehren, deshalb angewen-
det und verehrt würden. S0 sollte der rechte Winkel
(die
Verbindung
der
senkrechten
Linie
mit
der
waage-