Schlussbetrachtunxg.
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dazu die Nichtbeachtung oder Verachtung; der Natur,
so wuchert dies egoistische Princip ungehindert und er-
härtet sich in ungebrochener Kraft. Die Ilingebung" an
die Natur ist daher das erste Mittel zu einer reineren,
uneigennützigcrl Gesinnung.
Hierin liegt der Vorzug des ägyptischen Volkes,
hierin auch ihr Beruf zur bildenden Kunst. Denn diese
gedeiht eben nur bei der Unbefangenheit des Gemüths,
welche den Gegensatz gegen die äussere Welt kaum
empfindet, und daher gleich Weit von Selbstpeinignng
und von Hochmuth, wie von dem Taumel ausschweifen-
den Genusses sich der Natur erfreut. Während der
reiche
und
volle
Geist
der
Inder
wildem
Schwanken
von übertriebener geistiger Steigerung zu sinnlicher Aus-
schweifung herab sinkt, während bei den westasiatischen
Völkern der Geist der Eigensucht bald krämerhaft, bald
despotiseh, bald in religiöser Abgeschlossenheit sich aus-
bildet , entwickelt sich bei den Aegyptern ein zwar be-
schränktes aber festes und wohlgeordnetes Lebenssystem,
eine gediegene und gesättigte Verschmelzung des Geisti-
gen und Natürlichen. Das geistige Princip zeigt sich
zwar auch bei ihnen nicht bloss von seiner schönen
Seite , sondern auch als Eigensucht , als priesterliche
Beschränkung und als nationeller ausscllliessenden- Hoch-
muth, aber überall ist das Band der Caste, der Sitten
und Gesetze , der Religion zu stark 7 um den Egoismus
des Einzelnen als zerstörende Macht um sich greifen zu
lassen.
In dieser frühen Epoche der Weltgeschichte war
die geistige Ueberlieferung und, wenn man es so nennen
darf, die Erziehung der Völker noch zu schwach, um der
sinnlichen Uebcrgewalt der Natur leicht zu entgehen.