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Aegyptische
Sculptur.
nicht hineinbilden , sondern nur in eine abenteuerliolle
lßlährchenwelt hinausschweifen konnte. Daher entstand
auch hier weder ein edler sittlicher Zustand,
Poesie oder Wissenschaft.
noch höhere
Der jüdischen Weltansicht, obgleich sie eine viel
reinere war, lag eine ähnliche dualistische Scheidung von
Geist und Natur zum Grunde, welche zwar nicht zum
religiösen Bewusstsein kam , aber in praktischer Beziehung
dennoch Einfluss hatte. Indem die Juden xiicht aus der
Natur , sondern nur aus der Offenbarung, durch das
WVort unmittelbar belehrt zu sein meinten, bildete sich
eine Nichtbeachtung des natürlichen Elementes, welche
theils die Gestaltung ungeregelter Sitte, theils ein hoch-
müthiges Ueberheben über die Natur und über die anderen
Völker der Erde herbei führte. Eigentlich künstlerisches
Bedürfniss konnte hier ebensowenig, wie bei jenen Han-
delsvölkern und den Persern entstehen, aber der höhere
religiöse Schwung des Geistes und die Erhebung über
die Gemeinheit des Bedürfnisses bildeten unbewusst das
poetische Element zur begeisterten Prophezeiung oder
zum frommen Psalm aus , so dass sie im Gegensatze
gegen die stummen, bildenden Künste der Aegypter die
Kunst des Gesanges und des Liedes hervorriefen. Ihrem
sittlichen Leben fehlte aber, bei aller Vortrelflichkeit der
Lehre, die Festigkeit, Regelmässigkeit und "Mässigung
der gäegypter. Wie bei den Persern die WVillkür des
Despotismus, verhinderte hier das Schwanken und die
Unhaltbarkeit des theokratisehen Regiments die Ausbil-
dung jener ruhigen und wohlgeordneten Gesinnung, wel-
che allein die Grundlage aller Sittlichkeit ist. Aber wir
können auch tiefer gehn. In der Beziehung des einzelnen
Geistes auf sich liegt der Keim des Bösen; gesellt sich