Schlussbetrachtung.
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hier ist das Ganze wirklich Eins und untrennbar; die
Bildwerke haben nicht die eigenthümliche Kraft und Be-
deutung, um sich selbstständig zu machen, die Architektur
enthält, selbst wenn man von dem Bilderschmuck ihrer
VVände abstrahirt , in den Formen ihrer Säulen und
Mauern schon plastische Elemente. Weil diese Einheit
hauptsächlich der Architektur zu Statten kommt und sie
weniger dabei leidet als die andern Künste," schreiben
wir der ägyptischen Kunst im Ganzen mit Recht einen
vorherrschend architektonischen Charakter zu. Man darf
aber nicht vergessen, dass auch der eigenthümliehe Cha-
rakter der Architektur nicht, rein ausgebildet ist, und
dass daher der Geist der ägyptischen Kunst mehr der
Gesammtheit der bildenden Künste in ihrer innern Ueber-
einstimmung als der Baukunst allein angehört.
Diese Erscheinung ist in vieler Beziehung merkwür-
dig und lehrreich. Wir sehen daran, dass die Verbindung
der bildenden Künste nicht etwa bloss durch Abstraction
zu erkennen ist, sondern dass ihnen ein gemeinsamer,
wirklicher Existenz fähiger Geist zum Grunde liegt,
dessen Eigenthümlichkeit wir hier nicht bloss theoretisch,
sondern aus geschichtlicher Erfahrung wahrnehmen können.
Vergleichen wir die Aegypter mit den andern, 'V0l"-
her betrachteten Völkern in Beziehung auf die bildenden
Künste, so ist gar nicht znvei-kennen, dass sie die-
selben weit übertreffen.
Indien kann noch zuerst Anspruch auf eine Gleich-
stellung mit Aegypten machen. Es besitzt einen ähn-
lichen Reichthum von Werken, in welchen ebenfalls
Architektur, Plastik und Farbe zusammenstimmen und
ein imponirendes, grandioses Ganze bilden. Man kann
vielleicht selbst der indischen Plastik einen X-Torzug reichern
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