Volltext: Geschichte der bildenden Künste bei den Alten: Die Völker des Orients (Bd. 1 = [1], Bd. 1)

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Verhältniss 
Natur. 
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leben ist noch eine unbekannte Region. Daher bildet 
sich denn auch der merkwürdige Unterschied, dass die 
Reliefs bewegt, reich, mannigfaltig, die Statuen aber 
starr und gleichförmig sind. Die Statue ist die Gestalt 
des Menschen in seiner Selbstständigkeit, ihr giebt erst 
der persönliche Charakter den abweichenden Ausdruck. 
Nimmt man der menschlichen Gestalt dies persönliche 
Element, so bleibt nur die allgemeine Regel der ganzen 
Gattung übrig, das harmonische Verhältniss der Glieder, 
der Körper als architektonisches Kunstwerk der Natur. 
Dies erklärt denn auch ganz jene feste Regel, welche 
die ägyptischen Bildner, nach Diodors angeführter Erzäh- 
lung, zum Grunde legten. In allem Architektonischen 
bildet sich ein Zahlenverhältniss, das man zur Erleich- 
terung der Arbeit anwendet; hier unterlag auch der 
menschliche Körper einem solchen Kanon, der um so 
fester wurde, je grösser die Schwierigkeit ist, ihn nach 
freiem Augenmaasse richtig auszuführen. 
Wir sehen leicht, wie alles zusammenhängt. Durch 
jenen festen Kanon wurde es möglich, Gestalten von 
den kolossalsten Dimensionen mit Leichtigkeit richtig 
darzustellen. Aus derselben Richtung aber, welche diesen 
Kanon entstehen liess, musste auch die Neigung zum 
Kolossalen hervorgehen. Denn da man individuelles Le- 
ben, Charakter und Seelengrösse nicht kannte, Wenigstens 
nicht soweit anerkannte, um ihnen äussern Ausdruck zu 
leihen, so musste das Bedürfniss, die Grösse des Gottes, 
des Fürsten und Helden eindringlich darzustellen, auf 
die körperliche Vergrösserung hinführen, welche denn 
auch bei der ruhigen Haltung und bei der schönen Har- 
monie der Verhältnisse, in welchen man den Körper auf. 
fasste, einen würdigen und imponirenden Eindruck machte.
	        
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