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AegYPtische
Sculptur.
dem Wagen sind durch die Umrisslinien der Brust und
der Füsse, Krieger in Reihen durch ähnliche Vervielfäl-
tigimg der Umrisse angedeutet. Auf andern Bildern ist
ein anderer Weg eingeschlagen , um die Menge der
Gegenstände, wie wir sie in der Natur perspeeüvisch
sehen , zu vergegenwärtigen, indem nämlich das Ent-
ferntere über dem Näheren in eäer zweiten Reihe dar-
gestellt ist. S0 führt ein ägyptischer Krieger in grösse-
rer Dimension die Schaaren der gefesselten Feinde,
welche dann, obgleich die Ketten alle in seiner Hand
zusammen laufen, in Reihen über einander hinter ilnn
abgebildet sind; ebenso bei den Triumphzügen, wo der
König in grossem Maassstabe gebildet ist, während
mehrere Reihen kleinerer Gestalten ihm Gefangene oder
Geschenke vorführen. Das Bildwerk ist auch hier eine
Art der Schrift, man hilft sich so gut man kann, um
den wichtigen Umstand der grossen Zahl gefangener
Feinde nicht unausgesprochen zu lassen. Es ist aber
auch etwas Perspectivisches in dieser Anordnung, nur
dass statt der Köpfe der hintern Reihen die ganzen
Figuren dargestellt sind.
Man darf nicht glauben, dass es ein bewusstes V or-
urtheil oder ein gesetzliches Verbot war, welches die
Aegypter von freierer Auffassung der Natur abhielt und
an eine feste Regel band. Vielmehr stellten sie die Natur
so weit sie sie verstanden, möglichst treu und lebendig
dar. Das äusserliche Leben, Bewegung und Thatkraft,
das Thier und der Mensch in seinen allgemeinen Bezie-
hungen, im kriegerischen, öffentlichen Leben gelingen
ihnen daher sehr wohl; die Darstellungen von hällSlichen
Beschäftigungen in den Hypogäen haben oft Motive von
grosser Naturwahrheit und Naivetät. Aber das Seelen-