Thiergestalten.
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Auf solchen historischen Darstellungen ist, bei Thie-
ren und Menschen ein unbefangenes Streben nach Natur-
wahrheit unverkennbar, auf den religiösen Bildern dagegen
die phantastische Zusammensetzung von Gliedern ver-
schiedener Thiere unter sich oder mit menschlichen Thei-
len gewöhnlich. Von den Göttern mit Thierköpfen war
oben die Rede. Auf den Reliefs sehen wir häufig hinter
einem Gatte eine niederhockende menschliche Gestalt mit
grossen, aber nach vorn gebogenen Flügeln, mithin wohl
in der Bedeutung, den Gott ehrenvoll zu schirmen, wie
hinter dem Könige ein Sonnenschirm getragen wird. Sie
erinnert an die Cherubim des jüdischen Heiligthumes,
denen sie als Vorbild gedient haben mag.
Unter den Gestalten, bei denen der grössere Theil
thierisch ist, sind zuvörderst die Sphinxe zu erwähnen,
gewöhnlich Löwenkörper mit dem Kopfe und der Brust
eines Weibes, zuweilen auch mit einem Widderkopfc.
Sie haben nur eine monumentale architektonisoheBedeu-
tung und finden sich nur wie ruhende Wächterhunde vor
den Tempeln, Palästen und Gräbern. Auch Widderge-
stalten vertreten ihre Stelle. In Reliefs kommen sie nie-
mals (ausser in hieroglyphischen) vor. Uebrigens ist die
Zahl solcher Thiergestalten beschränkt, und wir erkennen
in denselben mehr die Satzung einer religiösen Symbolik,
als das Wechselnde Spiel der freien Phantasie.
Die Anordnung der oft sehr ausgedehnten Reliefs ist
meistens im Profil, und zwar bei einzelnen Gegenständen
ohne alle Rücksicht auf ihre Dicke; von dem Wagen
sieht man z. B. nur ein Rad, von dem Tische nur zwei
Füsse. Dagegen findet sich eine Art von perspeetivischer
Vertiefung des Bildes, wenn es darauf ankam, eine Mehr-
zahl der Gestalten zu bezeichnen; mehrere Pferde vor