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Einleitung.
Jedes einzelne Ding der Natur, indem es durch unzählige
Eigenschaften und Verhältnisse mit der Kette der Ursachen
und Wirkungen in Verbindung steht und ein Glied der-
selben ist, repräsentirt mittelbarer Weise in sich das All.
Im Gefühle Wirkt nun diese Unendlichkeit auf mich ein,
und ich fasse mit der ganzen Wärme des Wesens Alles in
der Gestalt des einen Dinges in meinem Geiste zusam-
men. Aber in der Menge der einwirkenden Richtungen
und , wenn ich so sagen darf, Strahlen des allgemeinen
Lichtes wird keiner völlig klar, sie verwirren und trüben
sich untereinander, und ebenso wirkt meine Individualität,
wie sie sich ungetheilt dem Gegenstande hingiebt, auf
das Bild desselben ein, und macht durch ihre Unvoll-
kommenheit, durch die Unfreiheit und Zufälligkeit ihrer
Ausbildung die Auffassung unklar und unzuverlässig. In
einzelnen, besonders reinen und hochbegabten Geistern
mag dieser Mangel einigermassen schwinden, die That
des Gedankens von der Wärme des Gefühls durchdrungen
und getragen werden; aber der Schatz dieser tiefen
Anschauung wird nur ein subjectives Eigenthum dieser
seltenen Menschen bleiben, und ihre Aeusserungen, wie
anregend und bereichernd sie auch für andere sein mögen,
werden immer den Charakter entweder der Einseitigkeit
und Farblosigkeit des Gedankens oder der Verworrenheit
des Gefühls an sich tragen.
Wir sehen, jener Zwiespalt des Geistigen und Na-
türlichen übt auch in dem innersten Heiligthume des
menschlichen Gcmiiths seine Macht aus, und schon hier
ist die Kunst das Vermittelnde und Einigende. Die Idee
des Kunstwerkes Itheilt und verbindet die Eigenthümlich-
keiten des Gedankens und Gefühls. Indem sie zwar die
Erscheinung zu ihrem Gegenstande hat, aber nicht die