Körperbildung.
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lässt sich nicht verkennen, dass der Körper für sich be-
trachtet den Vorzug hat. Ihm lässt sich, auch nach
unsern Begriffen, eine gewisse Schönheit nicht absprechen;
die Verhältnisse sind edel, das Symmetrische und Rhyth-
mische der Glieder tritt wohl ins Auge, die Formen
geben das Gefühl eines gesunden, starken, rüstigen We-
sens, ohne Verzerrung und Schlaffheit. Der Kopf dagegen
ist ohne allen individuellen Ausdruck, sein starres Lächeln
hat etwas Todtes, Seelenloses, und seine Züge geben
ein Bild überwiegender Sinnlichkeit und unentwickelteux
Geistes. x)
Mit der Vernachlässigung des Kopfes hängt es zu-
sammen, dass dieser grade der Theil des Körpers ist,
welcher am häufigsten mit thierischen Formen verwech-
selt wird. Ammon trägt gewöhnlich den Kopf des Wid-
ders, der Sonnengott Re oder Phre den des Sperbers,
Thoth, der Hermes der ägytischen Mythologie, führt sogar
zwischen den breiten Schultern den dünnen Hals und
Kopf des Ibis, Anubis wird bekanntlich hundsköpfig dar-
gestellt. Selbst die Göttinnen sind so ausgestattet, Neith
hat den Kopf der Löwin, Athor den der Kuh; Isis wird
zwar menschlich dargestellt, aber mit Hörnern und mit
den hässlichen Ohren der Kuh, die dem Gesichte eine
breite, halbthierische Form geben.
Vergleichen wir die Körperbildung der ägyptischen
Kunst mit der indischen, so hat sie zunächst schon darin
einen Vorzüg, dass sie keine Vermehrung der Glieder
4) Die Berichte einiger Reisenden, welche, wie Burkhard oder
Straton, selbst in den nubischen Bildwerken die Ziige der Pallas
und die Formen des griechischen Meissels würdig gefunden haben
Wllllßn, dürfen uns nicht irren, da die Urtheile anderer Reisenden,
die Monumente in unsern Iiiuseen und die genaueren Zeichnungen
belehren.
uns besser
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