Die
Idee
des
Kunstwerkes.
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sie enthält weder die ganze Kraft des Gegenstandes noch
die ganze Energie der menschlichen Natur, und selbst
das tiefste und vollständigste Gebäude meines Denkens
ist nur mein Gedanke, nur eine Seite meines Wesens
und der Natur der Dinge. Wir brauchen nicht die Frage
zu erörtern, über welche die neuere Philosophie mit ihrer
Vorgängerin gestritten hat, ob dem Gedanken bestimmte
Schranken gestellt sind, ob es ein Ding an sich gebe,
welches der Denkkraft stets verschlossen bleibe; wir
mögen mit jener annehmen, dass dem Gedanken kein
Gegenstand unerreichbar sei, dass er Alles umfasse.
Dennoch aber, wenn auch dem Inhalte nach unbeschränkt,
ist er der Form nach beschränkt. Das Bewusstsein des
Einen schliesst das des Andern aus und gerade die Be-
stimmtheit und Klarheit, welche das Wesen und" den
Vorzug des Denkens ausmacht, sondert es von der Fülle
und Thatkraft der Wirklichkeit. Das Reich des Gedan-
kens wird nur ein scharf getrenntes, ruhendes Spiegelbild
der bewegten und wirkenden Natur. llierin aber unter-
scheidet sich der geistige Inhalt oder, wie man es gern
nennt, die Idee des Kunstwerkes von dem eigentlichen,
Wenn ich so sagen darf, gedachten Gedanken; sie ent-
behrt jener Bestimmtheit und ausschliessenden Schärfe,
aber, indem sie ganz die Erscheinung und ihre Mannig-
faltigkeit in sich trägt, giebt sie dagegen einen Reichthum
von Beziehungen in ihrer lebendigen Wechselwirkung
und in einen Moment zusammengedrängt.
Sie steht dadurch dem Gefühle näher. Denn in der
Empfindung und Vorstellung der einzelnen Dinge nehmen
wir diese nicht bloss in ihrer Einzelheit, in sofern sie
Sieh von den andern Dingen ablösen und unterscheiden,
Sondern vielmehr in" ihrer Beziehung zu denselben xntahr.