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Aegyplische
Architektur.
tische Gebäude sind noch viel geringer. Die materielle
Grösse ist es also nicht, welche den Eindruck bedingt.
Eben so wenig ist es eine strenge Regelmässigkeit der
Zahlenverhältnisse. Nur an dem Tempel zu Edfu sind
sie einfach und fest; die Länge grade das Dreifache der
hintern, das Doppelte der vordem Breite; die Höhe der
Pylonen die Hälfte der ganzen Vorderseite, ebenso die
Breite'des Hofes zwischen den Säulen; der Vorsprung
der Pylonen vor der Mauer des Hofes der Tiefe dieser
Gebäude gleich u. s. f. Allein bei den andern Bauten
finden sich keineswegs so genaue Beziehungen und wir
können die des Tempels in Edfu wohl nur für das Er-
gebniss späterer Reflexion, nicht für das Eigenthümliche
der schönsten Epoche halten.
Die Schönheit dieser Gebäude hängt mit dem Cha-
rakteristischen der Formen enge zusammen. Die kräftigen
Mauern mit ihrer schrägen Richtung felsenfest in dem
Boden wurzelnd; das einfache Geslms in der Ründung
seiner Hohlkehle, wie ein ernstes, tiefliegendes Auge
beschattet; die ungebrochenen Linien, welche sich an
den einzelnen Theilen des Baues bei verschiedener Höhe
und Breite wiederholen, und im Innern die reichste Man-
nigfaltigkeit der Formen ruhig beherrschen; dies alles
vereint giebt uns das Bild und den Ausdruck eines uner-
schütterlich festen, bewussten, klar ordnenden Geistes.
Derselbe Geist, Welcher in der festen Begründung der
bürgerlichen Verhältnisse sich ausspraeh, dessen politi-
sches Gebäude Jahrtausende ausdauerte, dem die klugen
und scharfsichtigen Griechen ihre Bewunderung zollten,
hat sich hier architektonisch ausgesprochen. Die Quelle
der Schönheit ist überall der Geist, welcher sie schuf, und
dieser ist es, den wir auch hier anerkennen und schätzen,