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Aegyptische
Architektur.
sieht Gan's , eines gründlichen Kenners , bei eigener
sorgfältiger Beobachtung, grosses Gewicht. Indessen sind
seine Gründe für die Annahme höhern Alters keineswegs
entscheidend
Die Vermuthung , welche im Allgemeinen für das
höhere Alter der Felsenbauteir im Vergleich mit frei
stehenden Gebäuden spricht, ist hier nicht völlig, wenig-
stens nicht mit Sicherheit anzuwenden. Denn die Ge-
wohnheit solcher Grottenbauten blieb, Wie die Ilypogäeil
von Theben beweisen, auch während der Blüthe der freien
Architektur in Aegypten bestehen. Auch jene nubischen
Grotten scheinen nicht Tempel, sondern Grabstätten zu
sein. YVären sie aber auch Tempel, so erklärt die L0-
calität, die Enge des Thales , Weshalb man, um den
geringen Raum den Wohnungen nicht zu entziehen, die
Heiligthümer der Götter in die Felsen hinein verlegte.
Hieraus konnte denn aber auch die grössere Unvollkom-
menheit in der Ausführung entstehen, da theils die Bear-
beitung im Felsen schwieriger, theils die Arbeiter dieser
nubischen Gegenden weniger geübt waren. Nach allen
Urtheilen geben die Basreliefs an den Wänden dieser
Grotten den Thebaischen an Vollendung nichts nach.
Wie soll man dies erklären? Dass sie später, Jahrhunderte
i) Bei Gelegenheit der Fagrade des kleinem Monuments von Ip-
sambul, welches wie oben bei der Beschreibung erwähnt, aus Pfeilern
in der schrägen Richtung der ägyptischen Mauern und aus dazwischen
stehenden Kolossen besteht, bemerkt Gau: "Man sähe hier die Pro-
npyläen späterer Blonumente gleichsam im Relief, die Kolosse und
vPylonen zusammengedräugt.H Indessen dürfte daraus nicht ein Schluss
auf das höhere Alter jener mibischen Form zu ziehen sein, Sondern
eher ein umgekehrter. Der Peripteros der griechischen Architektur
ist älter als der Pseudoperilzteros, und ziach der Nafur der Sache
scheint das Körperliche immer dem Relief, das Wirkliche dem Schein,
das Ausgeführte dem Zusammeugedrängten voran geilen zu müssen.