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Aegyp tische Architektur.
Die schmale Treppe, die weit gestellten Säulen der Vor-
derseite bezeichnen den Zugang, während die dichten
überdies durch Mauern verbundenen Säulenreihen der
langen Seiten sich nur als Fortschritt ankündigen, und
die Rückseite, wenigstens da, wo sie eine grössere Zahl
von Säulen als die Eingangsseite hat, den Schluss aus-
spricht. S0 erscheint das Gebäude nur unter dem Ge-
sichtspunkte des Zuganges, nicht wie in der griechischen
Baukunst als ein selbstständiges Ganze.
An eine Nachahmung griechischer Architektur (die
man vermuthet hat) ist daher auch bei diesen Tempeln
nicht zu denken. Sie haben in jeder Beziehung ganz
ägyptische Formen, nur darin weichen sie ab, dass ihre
Aussenwände nicht, wie sonst, schräg, sondern völlig
senkrecht sind, was durch die Verbindung mit den Säulen
nothwendig wurde. Indessen ist es nicht unwahrschein-
lich, dass diese Tempelgattung eine spätere war. In
Theben finden wir sie nicht, sondern nur an solchen Or-
ten, wo wir die Gebäude aus Gründen des Styls oder
nach Inschriften für jünger halten müssen; z. B. in Philae,
Elephantine, Edfu, Tentyra. Sie erscheinen immer nur
als Nebengebäude bei grössern Tempeln, wodurch sich
denn manche architektonische Abweichungen von densel-
ben erklären. Es bedurfte bei ihnen nicht der gewaltigen
Pylonen und Vorhöfe, da die des Haupttempels auch
ihnen zu gute kamen. Auch mochte wohl eine religiöse
Rücksicht dabei mitwirken. In den meisten dieser Tem-
pel ist an den Würfeln über den Säulen eine abenteuer-
je zwei Säulen, auf den langen Seiten dagegen sind keine Säulen,
sondern Mauerpfeiler, mit welchen die kleinen Verbindungsmaizern
verschmelzen, so dass die Oellnungexz zwar eben so gross sind , als
ob Säulen mit Zivischenmauenx da ständen, aber völlig die Gestalt
von Fensteröffnungen tragen.