Die Schönheit. [9
Ganzen. Die Mannigfaltigkeit der schönen Gestalten ist
daher nicht bloss eine, gleichsam zufällig herbeikommende
Erscheinung, sondern sie liegt Wesentlich in der Natur
des Schönen. Nur durch diese Individualität und mithin
durch die ausschliessende Beziehung auf andere Erschei-
nungen wird das Kunstwerk schön.
Diese Mannigfaltigkeit sichert auch endlich die Frei-
heit des Künstlers gegen eine vernichtende Absichtlich-
keit. Denn eben weil das Schöne vielgestaltig, kann er
sich frei und rücksichtslos mit ganzer Seele hineinver-
senken, dem freien Spiel seiner Phantasie harlnlos zu-
schauen, der freien Neigung sich hingeben. Er weiss,
dass jedem Gedanken eine Form, jeder Form ein gei-
stiger Inhalt erwachsen kann. S0 entsteht denn inihm
das Werk, ohne dass sich die Besorgniss des GelingenS
verderblich in diese heimliche und leicht verletzbare
Stätte der Geburt eindrängt. Die Kunst behält dadurch
die jugendliche Anmuth unbewusster Leistung und hoff-
nungsvollen Strebens zugleich mit der Klarheit und dem
Ernste männlicher That.