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AegyPiische
Architektur.
der vielsäulige Raum, welcher schon mehr dem Innern
angehört, ist zwar soweit geöffnet, dass wir in seine
dichte, schattige Fülle und Pracht hineinbliclsen können,
aber der Eintritt selbst ist nicht auf allen Stellen willkür-
lich verstattet. Die Zwischenräume der Säulen sind ge-
schlossen, nur ein Weg in der Mitte ist geblieben. S0
gehen wir weiter, nun schon der Zerstreuung des freien
Himmels entzogen, von dem Ernst des Baues, von der
Heiligkeit der Bildwerke eng umgeben. S0 umschlicssen
uns die geweihten Wände immer näher, bis endlich nur
der priesterliche Fuss das einsame, tönende Gemach des
Gottes selbst betritt.
Wir sehen, das Ganze hat den Ausdruck des feier-
lichen Ernstes , der ehrfurchtsvollen Annäherung, des
priesterlichen Geheimnisses. Erst vorbereitend, Erwartung
erregend, dann imponirend, dann in wohlberechneter Stei-
gerung mehr lmd mehr in das mystische Dunkel zur
innersten Stätte der Weihung und Anbetung einführend."
Diese Anordnung der grössern Tempel können wir
als die Regel betrachten, und an mehreren der erhaltenen
Monumente finden wir auch diese und nur diese Theile
vor. Ein Musterbild giebt der Tempel von Edfu, wel-
cher auch durch die höchst einfachen, absichtlichen Zah-
lenverhältnisse seiner Theile eine besonders überlegte
Regelmässigkeit zeigtili). Das Eigenthümliche dieser
Anordnung besteht aber darin, dass sie nicht "geschlossen
ist, sondern stets Vergrösserung verträgt. Der Tempel
vorn nach hinten zu erschien, zeigt besonders der übrigens sehr ab-
weichende Tempel von Erment (Hermonihis) welcher keine Pylonen
sondern bloss einen Vorhof von frei stehenden Säulen hat, von wel-
chen aber die vorderen grüsser sind als die hinterh-
i") S. Jomard, Exposition du systäme mölriquc des ancicns
Egypliens in der Descr. de PEg. Ant. Tom. VII. p. 89.