Die
Pyramiden.
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mehr nur das einer kräftigen Stütze , wie etwa die
Strebepfeiler an unsern gothischen Kirchen. Als Strebe-
mauern beziehen sich diese Wände auf die Sicherung
eines Weiten, umschlossenen, zugänglichen Raumes, und
[laben daher nicht den ausschliessenden, feindlichen Cha-
rakter der Pyramide. Auch War der Grund für die
schräge Richtung der Mauer bei diesen andern Gebäuden
ein ganz anderer; er lag augenscheinlich in der Sorgfalt
für die Solidität, mit Rücksicht auf die steigenden WVas-
ser des Nils, nicht, wie bei den Pyramiden, in dem blossen
Luxus der Anhäufung grosser Massen. Wenn daher
auch eine Verwandtschaft beider Formen da sein mag,
so ist sie eine entfernte, welche mit der Verschiedenheit
des Reichen, Mannigfaltigen und Schönen von starrer
Rohheit sehr wohl bestehen kann. Der alte Ruhm der
Pyramiden, das Geheimniss, welches auf ihnen ruht,-der
kolossale Luxus und der geschickte Gebrauch mechani-
scher Hülfsmittel, endlich ihre wunderbare Stellung an
der Gränze der fruchtbaren bewohnten WVelt und der
tödtenden Wüste, alles dieses verschafft ihnen eine blei-
bende Bedeutung Er darf uns aber nicht hindern, ihnen
in Beziehung auf den_ aesthetischen Werth architektoni-
4') wWorin ist doch die unbeschreibliche Kraft. des Eindruckes
nbegründet, den der Anblick der Pyramiden auf unsere Seele macht?
wSie kommt nicht aus dem Gewicht und Umfang der hier aufgehäuf-
wten Werkstücke, solidem sie beruht auf dem Gedanken, den der
"Geist des Menschen andern Menschen verständlich hineinlegte. Die-
wSGT Gedanke ist Ewigkeitß S0 Schubert, Reise. Th. 2. S. 195.
Es ist blass der Gedanke des hlonumentalen, der ihn darin bewegt,
das nunabiveisbare Bediirfniss unseres Wesens, seine Wirksamkeit,
mvie die Schwingen eines über dem Zukiinftigen brütenden Adlers
"weit hinaus über das Leben der Zeit zu breiten." Der Gedanke
der Kunst überhaupt, der in ihren rohen Anfängen am deutlichsten
hervortritt.