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Aegyptische
Architektur.
Beherrscher von Memphis, die Pyramiden. Die unge-
heuren Massen und die eigenthümlich schroffe Form
dieser kolossalen Gebäude, die Schwierigkeit, das Mate-
rial auf die höher gelegenen zurücktretenden Theile zu
bringen, die verschwenderische Pietät, welche so grosse
Werke ohne allen Zweck und Gebrauch der Lebenden
den Todten widmete, das Geheimniss ihres unzug-äingu
liehen Innern, alles dieses erregt die Neugier und imponirt
der Phantasie. Es entsprach dem finster-n, melancholi-
schen Charakter , der mysteriösen Weisheit der alten
Aegypter, und verschaffte diesen ausserordentlichen Bau-
ten schon bei den Griechen, den Rang und Namen eines
XVunders der Welt Auch jetzt noch erhalten und
verdienen sie die Aufmerksamkeit und Forschung im
hohen Grade. Grabmorlumente im kolossalsten Maass-
stahe auf einer Stelle , welche mehr wie irgend eine
andere an die Vergänglichkeit des Lebens erinnert und
zu einem Kirchhofe im grössten Style geeignet ist, an
der Gränze des bewohnten fruchtbaren Aegyptens und
der libyschen Wüste, die erstickend immer weiter vor-
rückt, ragen sie allein mächtig und unerschütterlich her-
vor, trotzend dem Sande, welchen der Wind der Wüste
an ihrem Fusse aufhäuft.
WVie erwähnt, sind diese Monumente nur in dieser
Gegend Aegyptens gefunden, wo sie in mehreren Gruppen
theils nördlich, theils südlich von dem alten Memphis,
zusammen stehen. Ihre Form ist überall im Wesentlichen
a") I-Iolner, der 'l'heben kennt und rülnnt, erwähnt der Pyrami-
den nicht. Herodot bewundert sie, aber erst Diodur nennt die
eine, Strabu die beiden grössten Pyramiden als Wunder der wen.
Es ist überhaupt zu bemerken, dass die Schätzung der ägyptischen
Denkmäler in der römischen Periode wuchs. Die Neigung zum NVun-
ilerbaren und der Sinn für das Massenhaft-Erhabene nahmen zu.