Volltext: Geschichte der bildenden Künste bei den Alten: Die Völker des Orients (Bd. 1 = [1], Bd. 1)

Die 
Schönheit. 
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empfinden einen ganz andern Eindruck, als jenes unbe- 
fangene Wohlgefallen an der Erscheinung. Versuchen 
wir es, von dieser Rücksicht auf die Seele bei der An- 
schauung des Wirklich Lebenden zu abstrahiren, so wird 
uns der Körper durch seine Schwäche und Hinfälligkeit 
grausam enttäuschen, und uns statt der Schönheit viel- 
mehr den schauerlichen Eindruck des Leichenhaften ge- 
währen. Ebenso wenig können wir aber die Seele für 
sich betrachten; sie würde uns als ein flüchtiger, trügeri- 
seher Schatten des Lebenden erscheinen. Am Meisten 
befriedigen uns noch die Thaten des Menschen, der 
Zusammenhang seines Verhaltens, der Abdruck seines 
Wesens in der ihn umgebenden Welt. Aber beim ilähern 
Eingehn finden wir uns auch hier getäuscht; nicht bloss 
Schwächen und Leidenschaften entstellen das schöne Bild, 
Sßfldßrll wir sehen überall die Spuren einer äussern, un- 
harmonischen Nothwendigkeit und Zufälligkeit, wir wer- 
den genöthigt, die Momente des Entschlusses und der 
That zu sondern, und finden uns wieder mitten in jener 
WVelt des Zwiespaltes und des Widerspruchs. 
Die Erscheinungen der Wirklichkeit, auch diese 
edelsten und vollkommensten, geben uns also wohl vor- 
übergehend den Eindruck der Schönheit, nähren unsern 
Sinn für dieselbe und schärfen die Sehnsucht, aber sie 
befriedigen dieselbe nicht. Es ist nur ein Schein, wenn 
wir sie unter den wirklichen Dingen gefunden zu haben 
meinen. Sie nehmen wohl gleichsam einen Anlauf dazu, 
aber ohne ihr Ziel zu erreichen. Sie scheinen nach der 
Schönheit zu streben, aber die harte Bedingung der 
iVii-klichlaeit vereitelt dies Bemühen. YVas wir für die 
Schönheit der Dinge halten, ist nur unser Gefühl für sie, 
welches das Fehlende ergänzt, das Entstellende übersieht.
	        
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