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Aegypter.
Phantasie, die aber nach den ersten Schritten wie fest-
gebannt und erstarret sind. Die Weisheit der priester-
lichen Erziehung hatte den rechten Strom des National-
geistes, damit er nicht austrete, wie in einen festen,
steinernen Kanal hineingeleitet, wo er gleichmässig Jahr-
tausende lang floss. Die Anerkennung, welche die Grie-
chen den Aegyptern zollten, ist dennoch weder unerklärbar
noch unverdient. Wir Wissen, wie sehr dies geistreiche
Volk bei der Beweglichkeit und Unbeständigkeit seines
Charakters, nach festen Verfassungsformen, nach dem Ideal
eines Staates strebte. Ein solches fand sich hier. Politische
Veränderungen der obersten Herrschaft haben auch bei den
Aegypteril statt gefunden, ab er die unerschütterliche Festig-
keit ihrer Verfassung, Sitte und Religion ist ohne Gleichen
in der Geschichte. So wenig genau auch unsere Kenntniss
ist, so unterliegt es doch keinem Zweifel, dass Aegypten
schon zweitausend Jahre vor Christus im Wesentlichen
cultivirt war, und seine spätern Einrichtungen besass.
Von da an behielt es dieselben, ohne dass weder die
Persische Oberherrschaft seit Kambyses, noch die Griechi-
sche seit Alexander, noch endlich die Römische sie
verdrängen oder wesentlich modiiiciren konnte. Ja die
Religion Aegyptens gewann vielmehr an Umfang; während
die aufgeklärten Griechen und Römer sparsame Besucher
ihrer Tempel wurden, erhielten die ägyptischen Götter
auch ausserhalb ihres Mutterlandes, in den weiten Pro-
vinzen des römischen Reiches ausgedehnte Verehrung.
Bis zur Mitte des dritten Jahrhunderts können wir durch
die inschriftlichen Weiheformeln für die ägyptischen
Götter die Fortdauer ihres Cultus nachweisen. Erst fast
vierhundert Jahre nach Christi Geburt verordnete ein
christlicher Kaiser nicht ohne heftigen WViderstand die