324-
Aegypter.
Die Kenntniss dieser Schrift gestattet, uns einen
sichern Rückschluss auf die Litteratur der Aegypter.
Für freie geistige Mittheilungen, für freieren, individuellen
Ausdruck des Gedankens, für wissenschaftliche Zwecke
oder geistreiches Verständniss war eine solche Schrift
nicht gemacht. Allein alle diese feineren Bedürfnisse
hatten in Aegypteil keine Stelle, sie würden die Festig-
keit des ganzen sittlich religiösen Gebäudes nur unter-
graben haben. In einer Schule, welche den Geist an so
geduldprüfende Symbole und so harte Abstractionen ge-
wöhnte, konnte sich nichts Freies und Lebenvolles ent-
wickeln. Wir können daher aufhören uns zu verwnndern
oder den Verlust hoch anzuschlagen, dass nicht mehr von
altägyptischen Schriften auf uns gekommen ist. Selbst
die Sprache war, wie nach dem Urtheile der Sprachfor-
scher aus der koptischen Sprache sich mit Gewissheit
ergiebtili), unvollkommenen Baues und von geringen Sprach-
anlagen zeugend, und dass Poesie und Gesang nicht in
grossem Ansehen standen, geht aus den Nachrichten der
Griechen unläugbar hervor. Musik wurde zwar geübt,
wie wir aus den Darstellmigen mannigfaltiger musikali-
scher Instrumente in den Monumenten ersehen, allein es
fand dabei eine eigenthümliche Beschränkung statt. Man
durfte keine fremden, sondern nur einheimische Lieder
singen (Herodot II. und zwar nicht Volkslieder in
unserm
Sinne ,
sondern
HUF
einfache
heilige
Hymnen.
Ü S. Wilh. vJ-Inlnboldts Abhandlung: Ueber die Buchstaben-
schrift und ihren Zusammenhang mit dem Sprachhau. Abhandlungen
der Berliner Akad. d. Wiss. a. d. J. 1824. S. 160. Auch der gmsse
Orientalist Peyron schliesst aus der Steifheit oder mathematischen
Unregelmässigkeit der Sprache, dass die Aegypter eine dichterische
oder historische Litteratur im höhern Sinne nicht gehabt haben,
Raumer, Italien. II. S. 124.