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Einleitung.
in welcher Geistiges und Sinnliches in vollkommener
Durchdringung und in bleibender Harmonie sind, welche
den geistigen Ernst des Erhabenen mit der heitern un-
befangenen Lieblichkeit des Angenehmen verbindet, und
das Bedürfniss des Geiniiths, sich über die Einheit und
Einigkeit der beiden Reiche, denen es sonst wechselsweise
und im Zwiespalt unterworfen ist, zu versichern, befriedigt
Hiedurch sind wir soweit orientirt, dass wir wenig-
stens die Stelle gefunden haben, in Welcher der Sitz der
Schönheit ist. Wir haben sie selbst dadurch erreicht,
aber zunächst nur als eine innere Anschauung oder einen
Begriff des Menschen, als ein Postulat seiner Natur,
welches noch nach einer äussern Erscheinung sucht, an
der es sich befriedigt.
Das
Schöne.
Das Bedürfniss des Schönen geht also aus dem Innern
des Menschen hervor, die Befriedigung kann nur in der
Welt der äussern Erscheinungen gefunden werden.
Man sollte denken, die ganze Natur und jedes Ding
in ihr müsste schön sein. Denn alles gehört zu der
Schöpfung Gottes und die Ziige des Schöpfers müssten
daher am Einzelnen wie am Ganzen erkennbar sein, so
dass sich Geistiges und Sinnliches überall vereint fände.
Allein freilich zeigt sich gleich, dass dem nicht so
ist. Gott hat eine Welt der Freiheit geschaffen, in welcher
die Gesetze des Daseins sich mannigfaltig durchdringen
und widersprechen, eine Welt des Kampfes. In den meisten
Dingen der leblosen Natur sehen wir den Stoff nicht be-
seelt, sondern nur von äiussern Gesetzen gestaltet; die
lelarmonie des Geistigen und Sinnlichen, die wir suchen,
wird uns darin nicht anschaulich. Selbst die ausgezeich-