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Aegypter.
Krankheit zu heilen. Es gab für Augen und Zähne, für
Haupt und Unterleib besondere Aerzte, die sich überdies
bei der Behandlung der Kranken nach den Vorschriften
der heiligen Bücher richten mussten. Thaten sie dies
nicht, so waren sie für den Ausgang verantwortlich. Die
Sitten waren im Ganzen rein. Das Alter wurde geehrt,
Verletzung der ehelichen Treue strenge geahndet. Die
Frauen genossen Vertrauen, nicht bloss die WVirthschaft,
sondern auch der Handel. blieb ihnen überlassen. Aber
die königliche Gewalt ging nur auf die Söhne über, und
nur Männer konnten als Priester den Altären nahen. ln
Mässigung und Reinlichkeit dienten die Priester den an-
dern Ständen zum Vorbilde, und die Vorzüge, welche
sie genossen, waren mit manchen Beschränkungen ver-
bunden. S0 war den Andern Vielweiberei gestattet, aber
die priesterliche Ehe war eine monogamisehe. Ihre Diät
war auf das strengste geregelt, vielerlei Speise ihnen
verboten.
Die Wissenschaften waren ausschliessliches Eigen-
thum der Priester, deren Söhne in besondern Schulen
unterrichtet wurden. Vor Allem wurde hier Arithmetik
"und Geometrie getrieben , demnächst die Sternkunde,
welche durch die Beobachtung vieler Jahrhunderte fest-
gestellt war. Besonders in dieser Wissenschaft ehrten
die Griechen die Aegypter als Lehrmeister. Sie schrieben
ihnen sogar die Erfindung des Jahres zu, und hielten die
deshalb berühmten Chaldäer nur für die Schüler der
Aegypter in der Astronomie.
Von einer freien Philosophie finden wir keine Spuren.
wohl aber War eine Neigung zu ernsten Betrachtungen
vorherrschend. Eine grosse Bedeutung hatte die Rücksicht
auf die Fortdauer nach dem Tode. Nach Herodot (II, 123.)