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Aegyptcr.
alle Verrichtungen des Lebens war Ort und Stunde be-
stimmt, die Speisen seines Tisches Waren so genau an-
geordnet, als ob, wie Diodor sagt, nicht ein Gesetzgeber,
sondern der geschickteste Arzt sie nach Gesundheitsre-
geln berechnet habe. Seine Diener musste er sämmtlieh
aus den Söhnen der vornehmsten Priester wählen, so
dass unter dem Scheine der Ehre die genaueste Bewa-
chung seiner Schritte gesichert war. Priester standen
ihm bei allen Geschäften als Räthe oder Richter zur
Seite, und bei dem öffentlichen Opfer sprachen sie das
Gebet für ihn, bei welchem sie seine Tugenden aufzählen
sollten, und daher eine Gelegenheit zu einer stillschwei-
genden oder ehrfurchtsvollen, aber doch ilachdrücklichen
Rüge hatten. Auch nach seinem Tode sassensie über
sein Leben zu Gericht, und da sie die Bewahrer und
Ueberlieferer der Geschichte waren, so ruhte auch sein
Nachruhm in ihren Händen. Wie sehr es ihnen gelungen
war, durch diese Vorscln-iften die Könige zu fesseln,
ergiebt sich daraus, dass wenige es versuchten, sich
diesen Banden zu entziehen. Dafür ward ihnen denn aber
auch der Ruhm und die Liebe des Volkes zugewendet,
so dass die Aegypter das anhänglichste Volk, und, wie
Diodor.es ausdrückt, selbst fürWeiber und Kinder nicht so
besorgt waren, wie für ihre Könige. Das Landeigenthum
gehörte nur den höhern Casten, ein Drittel dem Könige,
ein zweites den Priestern, das dritte dem Wehrstande.
Die Landbauern waren nur Pächter und schon dadurch
von den Priestern am meisten abhängig, dass diese Zeit
und Ort der Saat und Aerndte bestimmten. Die Gesetze
und Lebensvorschriften waren mit Sorgfalt geordnet, das
Civilreeht mit Klugheit und Milde ausgebildet, die Strafe
der Verbrecher strenge, aber mit Umsicht und Scharfsinn