Land
und
Volk.
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der einen Seite gegen dieses Schwanken schützt, fesselt
sie auch auf der andern. Es leuchtet ein , dass die Reli-
giosität, die sich in einem Lande von so eigenthümlicher
Naturthätigkeit heranbildete, bei aller Klugheit und Wis-
senschaft sich nicht zu geistiger Freiheit erheben konnte,
sondern vielfältig beschränkt , durch Aberglauben und
Geheimnisskrämerei verdunkelt sein musste.
Es mag Täuschung sein, "wenn wir die Zustände,
deren Existenz uns historisch versichert wird, aus der
Natur des Landes mit Notlnveiidigkeit entwickeln zu
können glauben. Jedenfalls ist es aber bei einer so be-
stimmt ausgesprochenen Natureigenthümlichkeit verzeih-
lieh, dass wir dem Zusammenhange des Physischen mit
dem Ethischen näher nachspüren, wenn wir nur dabei
nicht vergessen, dass die Benutzung und Verarbeitung
selbst so entschiedener Naturanlagen zu einem grossen
sittlichen Ganzen das Werk menschlicher Freiheit und
Genialität ist. Mit dieser Beschränkung können wir denn
auch in den Sitten der alten Aegypter die Einwirkung
ihres Landes anerkennen.
Nach den Berichten der griechischen Schriftsteller
war die Nation, wie bei den Indern, in erbliche Casten
eingetheilt, deren Zahl und Begränzung nicht ganz gleich
angegeben wird, unter denen aber jedenfalls die Priester
und Krieger die höchste Stelle einnahmen, die Hirten
die niedrigste, gehasste und verachtete Classe bildeten.
Wie in Indien wurde auch hier der König aus der Krie-
gercaste genommen, aber eben so wie dort und noch
mehr war (lafür gesorgt, dass er sich dem Einflusse der
Priester nicht entziehen konnte. Selbst sein tägliches
Leben war bis in das Kleinste xiach priesterlicher Vor-
schrift geordnet. Für Geschäfte, Spaziergang, Bad, für