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Aegypter.
historischen Verbindung , in unserer Urgeschichte der
Völker in ähnlichem Lichte wie Indien. Beide Länder
durch Wunder der Natur und der Kunst, durch den Ruf
tiefer Weisheit und ältester Cultur, durch priesterliche
Traditionen berühmt, beide von einem geheimnissvollen
Dunkel umhüllt. Der Entfernung ungeachtet ist uns Indiens
Alterthum vielleicht zugänglicher als Aegypterls. Dort
leben wenigstens noch die Nachkommen der alten Brah-
manen, und wenn der Zustand, in Welchem wir sie
finden, nur ein mattes Abbild ihrer frühem Blüthe zeigt,
so sind zahlreiche Schriften, Dichtungen, Gesetze, Lehr-
bücher auf uns gekommen. Das Wort dringt in Rede und
Schrift zu uns durch. Das ägyptische Volkaber ist ver-
tilgt, kein Lebender redet zu uns in seiner ursprünglichen
Sprache, kein Buch überliefert uns seine Lehren.
Da. stehen denn die Monumente des Nilthales, Tem-
pel und Paläste mit ihren zahllosen Bildwerken in stummer
Einsamkeit. Ihre Pracht spricht zu uns, wie ein Gedicht
ohne Worte, von der Frömmigkeit und Weisheit, von
den zartesten Gefühlen ihrer Erbauer; und wir können
sagen, sie" spricht nicht unverständlich, es tritt uns ein
lebendiges Bild des Volkes entgegen, im Ganzen wenig-
stens, wenn auch im Einzelnen noch Vieles dunkel bleibt.
Bevor wir zur Betrachtung der Monumente über"
gehen, müssen wir einen Blick auf die Natur des Landes
und auf den Gang der Geschichte des Volkes, soweit
uns dieselbe bekannt ist, werfen.
Höchst eigenthümlich, wunderbar und räthselhaft ist
die natürliche Beschaffenheit des N ilthals. Das nörd:
liche Africa bietet meistens unfruchtbare Gegenden,
weite Sandwüstexl oder dürre Höhen, von der glühenden
Sonne des wolkenlosen Himmels verbrannt, von keinem