Kunstrichtung.
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gensätze des leuchtenden Himmels und der nächtlichen
Erde, des vergänglichen Gesehöpfs und des allmächtigen
Schöpfers. Nichts leistet dieser Bewegung Widerstand,
nichts ist fest, vor dem Antlitz des Herrn bebt die Erde,
das Meer flieht, der Jordan wendet sich zurück, die
Berge hüpfen wie Widder, die Hügel wie junge Lämmer,
die Felsen wandeln sich in Seen, die Steine in Quellen.
Wie kann bei so mächtiger Erschütterung der grossen
Gestalten der Mensch sich noch halten? Er ist die Blume
des Feldes, die vor dem Abend welket, ein Schatten,
der fleucht und nicht bleibet, ein vorüber eilendes Gerücht,
Staub vom Winde bewegt; die Völker sind nur ein leich-
tes Werkzeug in Jehovas Hand, er drehet sie im Kreise
herum, wie den Kreisel auf freiem Boden, sie sind ihm
Hammer und Amboss, Stab der Züchtigung und Becher
der Berauschuilg. Kein Einzelnes hält Stand und tritt in
ganzer Körperlichkeit und Selbstständigkeit hervor, Alles
verläuft sich zu einem grossen Bilde, zu einer Einheit,
in der sich nur der Gegensatz des Herrn und der ver-
gänglichen Erde stets wieder fühlbar macht aber auch
stets wieder aufhebt. Bei dieser Unselbstständigkeit des
Einzelnen, des Menschen, der Völker, trifft denn auch
die Betrachtung weniger das Innere, die Seele der Dinge,
als ihr Verhältniss zu andern, ihre relative Bedeutung.
Daher herrscht in der Folge der Bilder stets die
Rücksicht auf Zweck und Wirkung, nicht auf die Er-
scheinung und Gestalt der Dinge vor. Es wird ein Mensch
da sein, heisst es z. B. bei Jesaias, Welcher ist wie ein
Verbergungsort vor dem Winde, wie ein Schirm vor
dem Platzregen, wie Wasserbäche am dürren Ort, wie
die Schatten eines grosscn Felsens im schmachtenden
Lande. Alles bloss um zu sagen, er wird euch wohlthätig