256
Juden.
Bedeutung aus irgend einem Grunde zusagt, zusammen-
bringt, ohne an ihrer disharmonirenden Erscheinung Anstoss
zu nehmen. Höchst befremdend ist dieser Mangel, wenn
wir uns an den Reiehthum der hebräischen Poesie er-
innern. Welche Fülle von Bildern drängt sich hier! Wie
lebendig ist das Gefühl des Psalmisten, der Propheten
für alle Erscheinungen der Natur, für das Weite, Grosse,
Erhabene, Leuchtende, und dann wieder für das Kleine
und Zarte, oder für das Dunkle und Schreckende. VVie
kräftig und erschütternd malen sie die Gerichte des gött-
lichen Zornes, die Zerstörung, den Zug der mächtigen
Heerschaaren, das Getöse von Reitern und W agen, die
Einsamkeit und Verödung der vernichteten Städte. WVie
freundlich und lieblich sind die Bilder des Friedens und
des Glücks. Unvergleichlich sind diese Sänger in der
Gabe mit einem Zuge ein ganzes Bild vor unsere Seele
zu stellen, unerschöpflich in neuen Vergleichen; sie ver-
stehen alles , Pflanzen und Thiere, Jungfrau und Greis,
in den zartesten Beziehungen wissen sie das Charakte-
ristische aufzufinden. Sie durchschauen die Natur bis in
das Innerste und besitzen die Macht das volle Leben der
Dinge unserer Seele vorzuzaubern. Sollte man nicht glau-
ben, dass so grosse Empfänglichkeit für die Erscheinune
gen der Natur, so grosse Gabe der Auffassung und
Darstellung auch für die bildende Kunst fruchtbar gewe-
sen sein müsse?
Es ist nicht zu verwundern, wenn man das Hinder-
niss in jenem religiösen Verbot gesucht hat. Allein, wir
sahen, so unbedingt war das Verbot nicht , weltliche
Handlungen, wie die Perser, Naturbilder, wie die Dichter
in Worten, hätten sie auch plastisch oder im Gemälde
darstellen können, ohne dagegen zu sündigen. Ueberdies